Codename Merlin - 3
Leibgarde − die sich traditionell aus Marines rekrutierte −, der offiziell zur Garde gewechselt war, als Cayleb den Thron bestiegen hatte. Ahrnahld Falkhan und der Rest von Caylebs alter Leibgarde bewachten jetzt Kronprinz Zhan, Caylebs elf Jahre alten Bruder. Der Aufgabenwechsel war Cayleb ebenso schwergefallen wie den Männern, die ihn so lange beschützt hatten, doch die Sicherheit des Thronerbes von Charis oblag schon seit unvordenklichen Zeiten immer den Royal Charisian Marines. Faircaster hätte ebenso gut bei seiner alten Einheit bleiben können, doch Cayleb hatte darauf bestanden, dass wenigstens einer ›seiner‹ Marines bei ihm blieb … nicht zuletzt, weil sie alle schon von Merlins ›Visionen‹ erfahren hatten. Es war dem König durchaus sinnvoll erschienen, zumindest noch eine Person an seiner Seite zu wissen, die in der Lage wäre, mit den richtigen Bemerkungen beizeiten Merlins gelegentliche … Eigentümlichkeiten zu überspielen, zumindest so lange, bis auch die neuen Garden des Königs in dieses Wissen eingeweiht würden.
Merlin hatte dem Vorschlag zugestimmt. Abgesehen davon empfand der Mann − oder der PICA, wie immer man das sehen wollte −, der dafür verantwortlich war, das Überleben des Königs zu sichern, Faircasters ruhige, kompetente Wachsamkeit als zutiefst beruhigend. Und jemanden bei sich zu wissen, der Cayleb schon aus der Patsche geholfen hatte, als der Thronerbe von Charis gerade einmal neun Jahre alt gewesen war, das war ja nun auch nichts, was man so einfach verachtete.
»Payter«, sagte Merlin jetzt.
»Jawohl, Sir«, erwiderte der gewaltige Gardist mit der grollenden Bassstimme.
»Senden Sie einen Pagen aus. Er soll Lieutenant Ahstyn darüber informieren, dass Sie einen weiteren Wachmann benötigen. Ich glaube, Sergeant Vynair müsste derzeit verfügbar sein. Und dann behalten Sie Seine Majestät im Auge, bis Vynair hier auftaucht. Lassen Sie nicht zu, dass er in irgendwelche Schwierigkeiten gerät.«
»Jawohl, Sir.« Mit der Faust seiner rechten Hand berührte Faircaster kurz seinen Brustharnisch und warf dem König einen gestrengen Blick zu. Cayleb schüttelte nur den Kopf.
»Es ist doch immer wieder tröstlich zu sehen, wie sehr ich über alles entscheiden darf, was mich persönlich betrifft«, sagte er einfach in den Raum hinein.
»Es beruhigt mich, das zu wissen, Euer Majestät.« Die ausgewählte Höflichkeit, die in Merlins Stimme mitschwang, stand nur geringfügig im Kontrast zu der Belustigung in seinen sonderbaren, saphirfarbenen Augen. Dann wandte er sich wieder Staynair zu.
»Wann immer es Euch beliebt, Eure Eminenz«, murmelte er nur. Wenn Staynair ›inkognito‹ sagt, dann meint er auch ›inkognito‹, dachte Merlin kaum eine Stunde später ein wenig missmutig. Tatsächlich war Merlin sogar ernstlich überrascht, wie ›inkognito‹ Maikel Staynair sein konnte, wenn er es darauf anlegte. Das Gesicht des Erzbischofs war den Einwohnern der Hauptstadt von Charis vermutlich sogar noch vertrauter als das ihres Königs selbst. Seit Jahren hielt Staynair jeden Mittwoch in der Kathedrale von Tellesberg das Hochamt für die Stadtbewohner, und seit er zum Erzbischof des ganzen Königreiches ernannt worden war, konnte man ihn noch öfter sehen.
Dennoch, und auch trotz seines wallenden Bartes und der unverkennbaren Gesichtszüge, gelang es ihm, völlig unauffällig zu wirken, sobald er erst einmal die orangefarben abgesetzte, weiße Soutane abgelegt hatte, die seinen hohen Rang in der Kirche anzeigte, und sich stattdessen in das schlichte, schmucklose braune Gewand eines Bruders aus dem Bedard-Orden hüllte (das ihm immer noch zustand, trotz seines Aufstiegs in der kirchlichen Hierarchie). Den Rubinring seines Amtes hatte er so gedreht, dass seine Handfläche den schweren Stein verbarg, und wenn Staynair dann noch die Kapuze tief ins Gesicht zog und den Kopf in einer Geste angemessener Bescheidenheit ein wenig senkte, schien der Erzbischof völlig verschwunden zu sein.
Bedauerlicherweise handelte es sich bei diesem Gewand nicht um eine der Soutanen, die Owl und Merlin unbemerkt ausgetauscht hatten. Der gewöhnliche Stoff dieses Kleidungsstückes würde einer Klinge oder einem Geschoss keinerlei besonderen Widerstand entgegenbringen − was alleine schon ausreichte, um Merlin sehr unglücklich zu machen, auch wenn er das Staynair wohl kaum erklären konnte. Und das wiederum war nicht gerade dazu angetan, Merlins Laune zu heben.
Und er fand auch keinen
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