Codename Merlin - 3
als hätte dessen unmittelbar bevorstehende Niederlage − und sein vermutlich ebenso unmittelbar bevorstehender Tod − irgendeine Art innerer Grenze niedergerissen und zugleich auch eine Quelle der Weisheit freigelegt, die es ihm ermöglichte, in die Zukunft zu blicken.
»Nahrmahn, bitte bedenke, was du sagst«, flehte der Graf ihn mit leiser Stimme an. »Du bist mein Prinz, und ich werde dir folgen, wohin auch immer du Emerald lenken magst. Aber bitte vergiss nicht, was auch immer sie sonst sein mögen, sie sprechen immer noch mit der Stimme von Mutter Kirche, und sie herrschen über den Rest der ganzen Welt. Letztendlich kann Charis …«
»Das muss Charis doch auch gar nicht!«, fiel ihm Nahrmahn erneut ins Wort. »Genau darauf will ich doch hinaus! Was auch immer mit Charis geschehen mag, was auch immer die ›Vierer-Gruppe‹ denken mag, das ist doch nur der Anfang! Selbst wenn es denen gelingen sollte, Charis völlig auszulöschen, ist das immer noch nur der Anfang. Das ist nicht Gottes Wille, das ist einzig und allein deren Wille, und das wird bald auch jedem klar sein, nicht nur jemandem wie mir, oder wie Greyghor Stohnar in Siddarmark. Und wenn das offensichtlich wird, meinst du dann wirklich, die anderen Prinzen und Könige werden sich einfach wieder schlafen legen, als wäre nie irgendetwas passiert? Als ob Trynair und Clyntahn nicht bewiesen hätten, dass keine Krone sicher ist, keine Stadt außer Gefahr, wenn sie nur töricht genug sind, den Zorn der ›Vierer-Gruppe‹ auf sich zu ziehen − oder wer auch immer ihren Platz im Rat der Vikare einnehmen mag?«
Langsam schüttelte er den Kopf, und seine Miene war sehr grimmig.
»Das eine auf der ganzen Welt, was die Kirche keinesfalls verlieren darf, ist die moralische Autorität als Stimme Gottes, ihren Posten als Statthalter Seines Volkes, Trahvys.« Nun sprach Nahrmahn sehr, sehr leise. »Das war die wahre Grundlage für die Einheit der Welt − und die Macht der Kirche −, seit dem Tag der Schöpfung selbst. Doch jetzt hat die ›Vierer-Gruppe‹ das einfach aufgegeben, als wäre es so unwichtig, so trivial, dass es nicht einmal einen zweiten Gedanken wert wäre. Nur dass sie sich getäuscht haben. Es war nicht unwichtig; es war das Einzige, was sie noch hätte retten können. Jetzt ist es fort, und das, Trahvys − das … ist etwas, das sie niemals wieder werden zurückerobern können.«
.VII.
Villa Breygart, Hanth Town, Grafschaft Hanth
»Bewegung, verdammt noch eins! Ich will diese Straße hier geräumt wissen!«
Colonel Sir Wahlys Zhorj riss so zornig an den Zügeln seines Pferdes, dass sich das Tier unwillig aufbäumte. Er reagierte − Captain Zhaksyn Maiyr war der Ansicht, das sei zu erwarten gewesen −, indem er die Zügel noch heftiger anzog und sich vorbeugte, um dem Pferd einen heftigen Klaps auf den Hinterkopf zu versetzen.
Sir Wahlys (nur sollte Maiyr eigentlich nicht wissen, dass sein Vorgesetzter sich den Titel eines ›Sir‹ selbst verliehen hatte) schnaubte zornig und deutete dann mit dem Zeigefinger heftig in Richtung Ufer.
»Es ist mir völlig egal, wie Sie das machen, Captain, aber Sie werden die Straße bis zu den Kais räumen, und zwar jetzt!«
»Jawohl, Sir«, erwiderte Maiyr tonlos. Zhorj warf ihm noch einen letzten zornigen Blick zu, dann deutete er ruckartig mit dem Kinn auf seine kleine Gruppe Adjutanten und steuerte schließlich im kurzen Galopp auf die Stadtmitte zu, sodass Maiyr auf sich alleine gestellt war. Und das war Maiyr gleich in vielerlei Hinsicht nur recht.
In vielerlei anderer Hinsicht hingegen passte Zhaksyn Maiyr natürlich fast überhaupt nichts an dieser ganzen verpatzten Lage.
Nun wandte er sich mit ebenfalls finsterer Miene dem Geschrei zu, dem Rauch und dem allgemeinen Aufruhr auf der Straße, die zu räumen Zhorj ihm aufgetragen hatte. Wie auch immer ich das angehe: Es wird auf jeden Fall verdammt unschön werden, ging es ihm durch den Kopf. Und wie auch immer ›Sir‹ Wahlys darüber denken mag, das wird die ganze Lage keineswegs verbessern.
Der ist nicht blöd genug zu glauben, das hier könne irgendetwas bringen, dachte Maiyr verärgert. Er hat einfach keine besseren Ideen − was wahrscheinlich auch wieder nicht sonderlich überraschend ist.
In Wirklichkeit war Colonel Zhorj ein durchaus fähiger Feldkommandeur, der auch ein gewisses Talent dafür besaß, die Logistik einer Söldner-Kavallerietruppe zu organisieren, und zu dieser Truppe gehörten zufälligerweise auch Maiyrs
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