Codename Merlin - 3
und wenn diese Leute da drüben so feuerbereit sind, wie es mir scheint, werden sie mit einer einzigen Breitseite dieses Schiff hier in einen treibenden Haufen Zahnstocher verwandeln − allerhöchstens mit zwei Breitseiten. Es hat überhaupt keinen Sinn, meine eigenen Männer für nichts und wieder nichts abschlachten zu lassen, und wir sind nicht einmal bewaffnet.
Die Flagge der Kirche flatterte im Wind; langsam sank sie nun von der Mars des Kurierschiffes herab − diese Flagge, die noch nie zuvor angesichts einer Streitmacht Sterblicher gestrichen worden war. Sawal schaute zu, wie sie eingeholt wurde, und ein eisiger Wind schien ihm geradewegs ins Mark zu fahren.
In so vielerlei Hinsicht war dieser kleine, bestickte Stofffetzen nur eine bedeutungslose Kleinigkeit. Doch so begannen alle Katastrophen, nicht wahr? Mit einer Kleinigkeit, wie den ersten fallenden Kieseln, denen ein gewaltiger Erdrutsch folgte.
Vielleicht hätte ich sie doch dazu zwingen sollen, das Feuer auf uns zu eröffnen. Dann hätte es wenigstens keinerlei Fragen mehr gegeben, keinerlei Zweifel mehr. Und wenn Charis tatsächlich bereit ist, sich Mutter Kirche entgegenzustellen, dann hätten einige tote Matrosen das nur noch klarer verdeutlicht.
Vielleicht wäre das so gewesen, und vielleicht hätte er die Charisianer tatsächlich dazu zwingen sollen, sie anzugreifen, doch er war nun einmal Priester, kein Soldat, und er hatte es einfach nicht tun können. Und, so sagte er sich, alleine schon die Tatsache, dass Charis das Feuer auf ein Schiff eröffnet hatte, das unter der Flagge der Heiligen Mutter Kirche stand, sollte mehr als genug Beleg sein. Es war wirklich nicht erforderlich, dass er selbst dafür auch noch seine Männer in den Tod führte.
Zweifellos reichte das aus, und während er sich das noch einzureden versuchte, wusste Pater Rahss Sawal es doch besser.
Die Menschenleben, die er an diesem Morgen gerettet hatte, würden so bedeutungslos werden wie Senfsamen im Sturm, wenn sie erst einmal die entsetzlichen Berge des Todes überschritten hatten, die vor dem Himmel des morgigen Tages aufragten.
.II.
Königlicher Palast, Manchyr,
Fürstentum Corisande Mit dem Zeh blieb Hektor Daykyn an einer splittergesäumten, tiefen Scharise hängen, die eine Kanonenkugel der Charisianer in das Deck der Galeere Lanze gefräst hatte. Es war eine Scharise unter vielen, und nun fuhr der Prinz von Corisande vorsichtig mit der Hand über ein geborstenes Schanzkleid, auf das der gesplitterte Mast heruntergestürzt war.
»Captain Harys hatte alle Hände voll zu tun, sie wieder nach Hause zu bringen, Euer Hoheit«, sagte mit ruhiger Stimme der Mann, der neben ihm ging.
»Ja. Ja, das hatte er wohl«, stimmte Hektor zu, doch seine Stimme klang sonderbar abwesend, und sein Blick galt etwas, das nur er alleine sehen konnte. Dass er so in die Ferne starrte, rief bei Sir Taryl Lektor, dem Grafen Tartarian, beträchtliche Besorgnis hervor. Nachdem nun bestätigt war, dass Graf Black Water während der Schlacht den Tod gefunden hatte, war Tartarian selbst der ranghöchste Admiral der Corisandian Navy − oder dem, was davon noch übrig geblieben war −, und es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass die Gedanken des Prinzen gelegentlich … abzuschweifen schienen. Das passte so gar nicht zu Hektors normalem, entschiedenem Auftreten.
»Vater, können wir jetzt gehen?«
Nun nahmen Hektors Augen wieder seine Umgebung wahr, und er blickte den Jungen an, der neben ihm an Deck stand. Der junge Bursche hatte Hektors dunkle Augen und auch das charakteristische Kinn seines Vaters, doch das kupferrote Haar hatte er von seiner verstorbenen Mutter, die aus den Nordlanden stammte. Wahrscheinlich würde der Junge eines Tages auch eine ähnliche Statur aufweisen wie sein Vater, doch noch war es zu früh, sich dessen sicher zu sein. Mit seinen fünfzehn Jahren musste Kronprinz Hektor immer noch ein gutes Stück wachsen.
In mehr als nur einer Hinsicht, ging es seinem Vater düster durch den Kopf.
»Nein, können wir nicht«, sagte er dann laut. Der Kronprinz legte die Stirn in Falten und zog die Schultern hoch, als er die Hände tief in die Taschen seiner Kniebundhosen schob. Es wäre nicht ganz gerecht gewesen, seinen Gesichtsausdruck als ›Schmollen‹ zu bezeichnen, doch Prinz Hektor fiel kein Wort ein, das besser gepasst hätte.
Irys, du bist ein Dutzend mal mehr wert als er, dachte der Prinz. Warum, oh warum nur, konntest du nicht als Junge auf die Welt
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