Codename Sparta 02 - Das Venusraetsel
ist.«
Sie träumte davon, zum Theater zu gehen. Salome schrieb an einem Stück, sie besaß ein zerfetztes Manuskript, das sie jedem gab, der es lesen wollte. Ihr aggressiver, intelligenter Redestil kam auf dem Papier nicht zur Geltung. Niemand kritisierte ihre Arbeit, dennoch veränderten sich im Laufe der Zeit ihre Ziele. Sie wollte nicht mehr schreiben (sie gab zu, daß sie nicht einmal besonders gut lesen konnte), sondern wollte dabei helfen, die guten Taten der Athanasier zu verbreiten.
Salome war erst einige Tage vor Blake zu dem Programm gestoßen. Er war nicht überrascht, als sie zwei Wochen nach seiner Ankunft verschwunden war. Er wußte, man hatte sie befördert.
»Ich muß gestehen, als Sie mich aufgriffen, hatte ich vier Tage nichts gegessen. Ich hatte schon die ersten Halluzinationen.« Der Sprecher war Leo, ein schlanker, flinker Däne, der herumzog und dabei ein Tagebuch führte und seinen Freunden überall in der Welt lange Briefe per Radio schickte, wann immer er die Gebühren aufbringen konnte. Er war in Paris gelandet, nachdem er Nordafrika zu Fuß durchquert hatte. »Eigentlich müßte dieses sorgenfreie Leben mir Angst machen, aber was soll ich tun?« Er sah alle mit einem sonnigen Lächeln an.
Blake merkte, daß Leo Probleme mit seinem Selbstbewußtsein hatte. Er war längst nicht so groß, wie er vorgab, und folglich war er ständig darauf angewiesen, von jemandem gerettet zu werden. Vermutlich würde Leo schnell auf den Gruppenprozeß ansprechen, aber ob er wirklich aus dem Holz geschnitzt war, das die Athanasier suchten, blieb abzuwarten. Von allen Gästen war Leo der einzige, der kein Ziel angab, das über den heutigen Tag hinausging. Er behauptete, mit seinem Leben, wie es war, glücklich zu sein.
Lokele war kräftig gebaut und groß, er war ein schwarzer Westafrikaner, der schon als Kind in den Vororten von Paris gelandet war. Seine Eltern waren während der Grippeepidemie im Jahre 2075 ums Leben gekommen. »Und dann habe ich viele nette Leute getroffen, aber niemand blieb lange genug, daß ich ihn richtig kennenlernen konnte«, sagte er lächelnd. »Also hab’ ich angefangen, sie zu schlagen, damit sie nicht mehr wegliefen.« Schließlich landete er in einem Erziehungscamp, nachdem man ihn wegen Diebstahls und Raubüberfällen drangekriegt hatte. Die Athanasier hatten ihn eine Woche nach seiner Entlassung aufgegabelt, eine Woche, während der er erfolglos Arbeit gesucht hatte, und als Hunger, Verzweiflung und der Entschluß, auf keinen Fall wieder im Arbeitslager zu landen, ihn dazu brachten, wieder einen Überfall zu begehen.
An Witz und Auffassungsgabe mangelte es ihm keineswegs. Ihm fehlte nur etwas Erziehung und Gefühl für den Umgang mit Menschen. Seine Familie und seine Kultur waren zerstört worden, und er war durch die Maschen der Bürokratie geschlüpft. Blake fragte sich, ob und wie die Athanasier ihm wieder auf die Beine helfen wollten.
Bruni kam aus Deutschland. Sie war blond und breitschultrig. Sie hatte die letzten zwei Jahre in Amsterdam gelebt, da das Arbeitslager dort praktisch keine oder nur wenig Arbeit bedeutete. Aber es war ihr dort langweilig geworden, und sie war nach Paris gezogen.
»Möchtest du den anderen Gästen erzählen, wie wir dich getroffen haben, Bruni?«
»Dieser Loddel wollte, daß ich für ihn anschaffen gehe, aber da war er bei mir an der falschen Adresse.«
»Du hast dankend abgelehnt?«
»Ich hab’ ihm den Arm gebrochen.«
»Und als seine großen Freunde ihm helfen wollten?«
»Habe ich ihnen die Knie gebrochen.« Sie sagte es ohne eine Spur von Humor, hielt dabei die Arme verschränkt und starrte auf den Boden.
Tatsächlich hatten die Athanasier sie aus den Händen der Polizei befreit, die meinte, sie hätten es mit einem Volksaufstand zu tun.
Brunis Ärger drohte beim kleinsten Anlaß loszubrechen, manchmal explodierte sie bei den Diskussionen und warf mit Beleidigungen und Obszönitäten um sich. Dennoch war es mehr als deutlich, was Bruni wollte, sie wollte ganz einfach geliebt werden. Blake fragte sich, wie die Athanasier das schaffen wollten.
Und dann war Guy an der Reihe …
»Ich stamme aus Bayonne im Baskenland. Meine Eltern sprechen noch die alte Sprache, aber ich habe sie nie gelernt. Ich war nicht viel zu Hause, weil ich die meiste Zeit beim Zirkus zugebracht habe.« Der Zirkus war, wie sich im Folgenden herausstellte, eine billige Jahrmarktstruppe, die durch den Norden Spaniens zog. Während seiner Zeit dort hatte
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