Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff
Ein neuer Crux! Eine neue Erde! Ein völlig neuer Himmelskörper! Die Amaltheaner, den Menschen nicht unähnlich (was sie jedoch im Grunde dennoch waren), hatten die Absicht, dem Ereignis einen Gedenktag zu widmen. Freundlicherweise luden sie uns ein, der Feier beizuwohnen.
Bevor Troy ging, nahm sie mich erneut auf die Seite. Es wäre klug, meinte sie, wenn alle zusammen kämen. Es wäre ebenfalls klug, wenn wir von jetzt an bis in die nähere Zukunft immer beieinander blieben. Ohne es direkt auszusprechen, deutete sie an, es sei an mir, unser kleines Häuflein zu führen.
So geschah es, daß ich alle meine Kollegen bis auf einen überredet hatte, an unserem kleinen Ausflug teilzunehmen, als es soweit war. Bill widersetzte sich mir (wie gewöhnlich) dadurch, daß er Marianne bedrängte, zu bleiben. Sie jedoch sagte, sie wolle auf keinen Fall das vermutlich außergewöhnliche Schauspiel verpassen. Und da feststand, daß Bill mitkommen wollte, gab er rasch nach. Ich brauchte mich nicht weiter einzumischen. Nur Tony, dessen Argwohn gegenüber den Außerirdischen sich im Laufe der Zeit zu einer Art Besessenheit gesteigert hatte, bestand darauf, zurückzubleiben. Ich konnte nicht mehr tun, als ihm das Versprechen abzuringen, die Gegend bis zu unserer Rückkehr nicht zu verlassen.
Redfield holte uns in einer herrlich gesäumten und mit Tentakeln bewehrten Medusa ab. Mittlerweile kam uns Redfield noch fremdartiger vor als die Außerirdischen selbst. Wir waren durchaus höflich zueinander, aber die Chance, unsere alte Kameradschaft wieder aufzufrischen, war längst vertan. Er begleitete unsere Fünfergruppe von unserem Heim am Äquator zum eisigen Pol.
In wenigen Stunden brachte die Medusa die gleiche Strecke (auf einer anderen Route) hinter sich, für die der Papiersegler fünf Tage gebraucht hatte. Von der durchsichtigen Kuppel aus erkannten wir die nadelfeine, funkelnde Konstruktion, die Jo und Tony beschrieben hatten, wie sie den Himmel über dem eisigen Horizont durchstieß, und kurz darauf schwebten wir neben ihrer schneeverwehten Basis. Es war ein Turm aus Diamanten, die glitzernde Achse dieser Welt, die einen Kilometer oder mehr aus dem eisigen Dunst geradewegs in einen Wolkenstrudel über unseren Köpfen ragte.
Weit oben öffnete sich ein umgekehrter Trichter in den milchigen Wirbel des schneebeladenen Himmels, ein Tunnel ins All, an dessen Spitze ein mit Sternen besprenkelter Flecken des dunklen Firmaments zu erkennen war – was bedeutete, daß das dichte Wolkengebilde sich mit der gleichen Geschwindigkeit drehte wie der Planet.
Redfield sagte, die Wolken würden sich vermutlich in ein oder zwei Tagen auflösen. »Es ist ein Zyklon, den das schwarze Loch hervorgerufen hat«, verriet er uns, »ein künstliches Schwerkraftgebilde. Die Amaltheaner haben die Rotation des Loches mit der des Mars synchronisiert, um jegliche Auswirkungen auf die Drehung des Planeten zu vermeiden. Als das schwarze Loch aus dem All herangezogen wurde, hat es die Atmosphäre in Rotation versetzt.«
»Und was stellt dieser Turm dar?« fragte Angus. »Eine Art Generator für schwarze Löcher?«
»Nein, eher eine Art hochkomplizierte Bohrvorrichtung«, antwortete Redfield. »Die Spitze eines Schachtes, der bis ins Zentrum des Planeten reicht.«
»Ich nehme an, am Südpol befindet sich ein ebensolcher Bohrkopf«, sagte Bill. »Aus Gründen der Symmetrie.«
»Natürlich.«
»Und wieso fallen die Schächte nicht in sich zusammen?« fragte Angus.
»Sie sind mit synthetischer kristalliner Materie ausgekleidet, die stärker ist als die kristalline Struktur des zusammengepreßten Innern. Es ist das gleiche Material, aus dem auch das Weltenschiff besteht – es ist härter als Diamant und hitzedurchlässig.«
»Und woher stammen diese schwarzen Löcher? Wie steuern die Amaltheaner sie an den Ort, an dem sie sein sollen?«
»Ich wünschte, ich wüßte die Antwort darauf. Die Löcher werden an Ort und Stelle hergestellt, aber wie die Außerirdischen sie transportieren …« Redfield zuckte mit den Schultern. Er verstehe einfach nicht, meinte er, wie die Amaltheaner die lokale Struktur der Raumzeit nach Belieben in Falten legen und glätten konnten.
Wir hätten endlos weitere Fragen über diese offenkundigen Wunder stellen können, doch Redfield vertröstete uns mit der Feststellung, daß er in all den Jahren, die er mit dem Studium der amaltheanischen Technologie verbracht habe, nur ein paar unbedeutende praktische Dinge begriffen hätte.
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