Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff
»Eigentlich weiß ich nur, was man nicht anfassen darf«, sagte er. Sein Grinsen erinnerte mich kurz an unsere gemeinsamen Tage von früher. Er schien es durchaus ehrlich zu meinen.
Schwebend umkreiste die Medusa den riesigen Turm. Flotten weiterer Medusen hatten sich in loser Aufstellung zu allen Seiten formiert – Tausende und Abertausende dieser halblebendigen Fahrzeuge, die es fertiggebracht hatten, eine ganze Welt umzuwandeln. Wir kamen zum Stillstand, fast ohne den Boden zu berühren. Redfield lud uns ein, auszusteigen und den Turm aus der Nähe zu betrachten. Nur Marianne lehnte ab. Sie war hochschwanger und hielt es für klüger, sich nicht der Kälte auszusetzen. Redfield holte Umhänge aus weißem, flauschigen Stoff hervor, die wir uns um die Schultern wickelten und an den Knöcheln und Handgelenken befestigten. Die Tentakel der Medusa setzten uns in dem vom Wind überfrorenen Schnee ab.
Ich stapfte unter dem Fahrzeug hervor, sah nach oben und blickte direkt in den seltsamen Wirbelturm über uns, in das windstille Auge eines regungslosen Hurrikans. Die Luft war so kalt, daß es mir den Atem verschlug.
Wir gingen schnell auf den Turm zu und beobachteten unser verzerrtes Antlitz in seiner verspiegelten Oberfläche. Schon bald wußten wir, was Redfield uns hatte zeigen wollen.
Den Fuß des Diamantenturmes bedeckten Inschriften und Reliefs. Die meisten von ihnen reichten etwas höher als bis in Augenhöhe, und einige waren bereits von Schnee verweht – Bilder von Tieren und Pflanzen, Landschaftsformen und Maschinen. Dazu Karten und Texte, bei denen es sich offenbar um Abhandlungen über Geologie, Biologie und Mechanik handelte, des weiteren philosophische Essays, Tratsch und Graffiti. Vieles blieb auf den ersten und selbst auf den zweiten Blick unverständlich.
Wir waren vor einem Oval angekommen, einer Art Metallarbeit, die an die keramisierten Fotografien erinnerte, die man manchmal auf Grabsteinen auf der Erde in unserer Zeit findet. Dieses war jedoch aus einem seltsam leuchtenden Material gefertigt und neben einer Karte angebracht, die mit Sicherheit unser Sonnensystem darstellen sollte. Es handelte sich um einen langen, sehr fein eingravierten Text –
– der mich sofort anzog. Es schien, als könnte ich ihn lesen, noch bevor ich dicht genug heran war, ihn zu erkennen.
… Nachdem wir unsere Heimat verlassen hatten, gelangten wir zuerst zu einem System im Schwarzen Raucher, dessen Planeten wir anfangs für bewohnbar hielten, die sich aber wegen der exzessiven ultravioletten Abstrahlung ihres Urgesteins ab Ödnis erwiesen. Wir zogen weiter, schliefen lange und erwachten nur, um jeden der im Katalog der Möglichen Manifestationen aufgeführten Sterne zu untersuchen. Keiner war geeignet, bis wir schließlich den Stern mit der Bezeichnung Schlichtes Gelb 9436-7815 erreichten.
Es handelte sich um eine Manifestation, die aus unseren Träumen hätte sein können – eine junge Sonne wie das Urgestein unserer Heimat, mit Planeten, deren Größe, Masse und Umlaufbahnen denen unserer Heimatwelt entsprachen, die gesegnet waren mit einem salzhaltigen Ozean, einer inaktiven Geologie und einer an Sauerstoff und Kohlenstoffkomponenten reichen Atmosphäre. Es war eine wohlschmeckende, eine wohlriechende Welt. Wir nannten sie unser Neues Zuhause. Zu unserer Freude gab es auf unserem Neuen Zuhause abgesehen von den Vorläufermolekülen, die wir alle im gesamten Kosmos gemein haben, keine Spur von Leben. So begann unser großes Werk, das lange fortbestand. Wir hatten jedoch die Existenz eines Zwillings des Urgesteins übersehen, eines toten und todbringenden Zwillings …
Was ich einmal für die Sprache der Kultur X gehalten hatte, war für mich jetzt klassisches Amaltheanisch – eine bewegliche und musikalische Sprache, die ganz anders war als jene gestelzten Übersetzungen, die ich einst auf der Erde angefertigt hatte (denn die waren zwangsläufig von den Sprachen aus der Bronzezeit auf der Erde abgeleitet, wie sie auf den sogenannten Venustafeln aufgezeichnet waren, die dem Stein von Rosetta der Kultur X gleichkamen).
Was ich hier auf dem hoch aufragenden Nordpol las, war ein blumiger und schlichter Bericht der amaltheanischen Odyssee, ausgeschmückt mit Einzelheiten, die vielleicht späteren Generationen von Amaltheanern gefallen mochten. Die Wörter und Sätze, die mir jetzt im Kopf herumgingen, hatten keine Entsprechung zu irgend etwas, das ich je zuvor gehört oder gelesen hatte, aber ich wußte, daß
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