Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
in den Martinis enthalten gewesen war, sorgte dafür, dass er fünfzehn Minuten später tief und fest eingeschlafen war. Er hörte weder, wie die Badezimmertür geöffnet wurde, noch die leisen Schritte, die sich ihm näherten.
Ein Schatten fiel auf sein Gesicht, auf seinen bewusstlosen Körper.
Reed kniete sich neben die Badewanne, holte eine große, lederne Brieftasche aus der Innentasche seines Anzugsjacketts und legte sie auf seinen Oberschenkel. Er zog den Reißverschluss der Brieftasche auf und entnahm ihr eine kleine Arzneiampulle sowie eine Subkutanspritze. Dann stellte er die Ampulle mit abgeschraubtem Deckel auf den Boden und zog die Schutzkappe von der Nadel. Hoyt wog seiner Schätzung nach nicht mehr als achtzig Kilogramm. Reed nahm die Ampulle, durchstach die Membran und zog acht Zentiliter Kaliumchlorid auf.
Dann griff er mit der anderen Hand behutsam nach Hoyts Kinn und klappte ihm den Mund auf. Er schob die Nadel unter Hoyts Zunge und stach die Spitze in die Zungenarterie. Langsam und gleichmäßig drückte er die Lösung aus der Spritze in Hoyts Blutbahn.
Ruhig und mit effizienten Bewegungen packte Reed anschließend alle Sachen wieder ein, genau in der Reihenfolge, in der er sie herausgenommen hatte. Er wusch Hoyts Cocktailshaker aus, um jede Spur des Beruhigungsmittels zu tilgen, und stellte das halb leere Arzneifläschchen anschließend direkt neben Hoyts Glas. Schließlich verließ er das Haus auf exakt dem Weg, auf dem er es betreten hatte, ohne etwas kaputt zu machen und ohne gesehen zu werden.
Er blickte auf seine Armbanduhr. Es war 23.05 Uhr. Das Kaliumchlorid würde in ungefähr drei Minuten einen Herzstillstand verursachen. Noch einmal zwei Minuten später war Hoyt tot. Anschließend würde die Chemikalie in ihre Bestandteile Kalium und Chlor zerfallen, die aber in jeder menschlichen Leiche zu finden waren. Das Gift konnte also von der Pathologie nicht nachgewiesen werden. Theoretisch war es denkbar, dass im Fall einer gründlichen Obduktion die Einstichstelle entdeckt wurde, aber da keinerlei äußere Hinweise auf ein Tötungsdelikt vorlagen, war die Wahrscheinlichkeit dafür äußerst gering.
Sollte Hoyt den Herzinfarkt überleben, was zwar unwahrscheinlich, aber durchaus denkbar war, dann würde er trotzdem sterben. Angesichts seines stark geschwächten Zustands würde er in seiner eigenen Badewanne ertrinken. Das dauerte vielleicht noch einmal zwei Minuten. Reed war es egal, wie es enden würde.
Mehrere Querstraßen von Hoyts Haus entfernt, stieg Reed in seinen Mietwagen. Er holte sein Smartphone aus dem Handschuhfach und schrieb eine Nachricht, um den erfolgreichen Ausgang der Operation zu bestätigen. Dann blickte er auf seine
Uhr und wartete, bis die Zeiger auf 23.12 Uhr standen. Erst dann schickte er die Nachricht ab.
Reed nahm es gerne genau.
Kapitel 43
St. Petersburg, Russland Montag 13:57 MSK
Victor schlenderte mit dem Aktenkoffer in der Hand durch das Gedränge des Einkaufszentrums. Die Menschen waren alle dick eingemummelt, um sich gegen die Kälte zu schützen, mit der selbst die Klimaanlage des Einkaufszentrums nicht ganz fertig wurde. Victor fuhr mit der Rolltreppe ins Obergeschoss, eine behandschuhte Hand auf das Gummiband gelegt. Den Lutscher schob er mit der Zunge von einem Mundwinkel in den anderen.
Von einem Münztelefon aus rief er in Norimows Bar an und teilte dem Barkeeper den Ort und die Zeit mit. Dann stieg er über die Treppe bis ganz nach oben auf die höchste Ebene des Parkhauses. Hier waren unter freiem Himmel lediglich ein rundes Dutzend Autos abgestellt. Er sog die frische Luft ein und sah zu, wie sein Atem dicke Kondenswolken bildete. Er war so konzentriert, dass er die Kälte gar nicht spürte. Sein Puls schlug vollkommen gleichmäßig.
Die Tür zum Wartungsschacht war mit einem Vorhängeschloss aus Edelstahl gesichert, das ihm nur wenige Sekunden Widerstand leistete. Victor stieg die Metallstufen hinauf, die zum eigentlichen, noch über der Parkebene befindlichen Dach führten. Die helle Novembersonne am nahezu wolkenlosen Himmel zwang ihn, die Augen zusammenzukneifen. Er holte eine Sonnenbrille aus seiner Brusttasche, setzte sie auf und schob sich an den Dachrand, vorbei an riesigen Lüftungsrohren, die aus dem Gebäudeinneren ins Freie ragten. Die Ventilatoren brummten mit dem Rauschen des Windes um die Wette.
Victor warf einen Blick über den Dachrand und sah, sechs Stockwerke unterhalb, den Parkplatz vor dem Einkaufszentrum liegen.
Weitere Kostenlose Bücher