Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
Russisch verstehen konnte. Seine klappernden Zähne und seine heisere Stimme bewirkten, dass er seine Worte zweimal wiederholen musste, bevor die Frau am Tresen wusste, was er wollte.
Victor kippte den Kaffee mit einem einzigen großen Schluck hinunter und scherte sich nicht darum, dass er sich dabei den Mund verbrannte. Er musste seine Körpertemperatur erhöhen, und zwar schnell. Also bestellte er sich noch einen Kaffee und trank ihn genauso schnell aus, gefolgt von einer süßen Brotsuppe und Pelmeni , also in Brühe gekochte, mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, die mit Schmand serviert werden.
Hastig schlang er das Essen hinunter, ohne auf die Ferkelei zu achten, die er dabei anrichtete. Es dauerte zwar noch eine Weile, aber schließlich kehrte das Gefühl in seine Finger zurück. Seine Körpertemperatur stieg langsam an, und das Blut floss auch wieder in die Gliedmaßen. Er hatte nie vergessen, was sein Ausbilder einst gesagt hatte: Sieh zu, dass du im Inneren warm wirst, dann kommt die Wärme von selbst nach außen.
Eine Viertelstunde später konnte er bereits wieder seine Hände
bewegen, und nach einer halben Stunde spürte er jeden einzelnen Zeh. Eine Dreiviertelstunde nach seiner Ankunft in der Raststätte war er bereit, sie wieder zu verlassen. Er wäre gerne länger geblieben, hätte sich am liebsten ein Zimmer genommen, um sich noch mehr zu erholen, aber die russische Grenze war noch immer viel zu nah, als dass er sich entspannen konnte. Und mit diesen Klamotten konnte er sowieso nicht von hier weg.
Er kaufte sich eine Flasche Wodka, setzte sich und wartete auf den geeigneten Moment. Es dauerte gar nicht lange, da machte sich ein Mann, der ähnlich gebaut war wie er, auf den Weg zur Toilette. Er hatte alleine am Tisch gesessen. Perfekt. Nach ein paar wenigen Sekunden folgte er ihm. Dreißig Sekunden nach dem Mann betrat er die Toilette.
Es war ein stinkender, schmutziger Raum, aber Victor achtete nicht auf die mangelhaften hygienischen Bedingungen. Der Mann steuerte die Urinale an und fing an sich zu erleichtern. Ein anderer stand neben ihm. Victor stellte sich ans Waschbecken und tat so, als würde er sich die Hände waschen, bis der zweite Mann gegangen war.
Jetzt blieb ihm nicht viel Zeit. Jeden Augenblick konnte jemand hereinkommen. Er stellte sich hinter den Mann am Urinal, schnell, sodass der andere ihn zu spät bemerkte. Victor packte ihn mit der rechten Hand an den Haaren und rammte seinen Kopf gegen die Wandfliesen oberhalb des Urinals. Der Mann stöhnte auf, war benommen.
Victor riss ihn nach hinten, schleuderte ihn herum und stieß ihn in eine Kabine. Dann sprang er mit einem Satz hinterher, warf die Tür ins Schloss und riegelte ab.
Der Mann war in die Knie gesunken, stöhnte und versuchte, sich aufzurappeln. Victor stellte sich hinter ihn, die Füße links und rechts von denen des Mannes. Er legte ihm den linken Arm um den Hals und drückte mit dem Unterarm zu. Mit der Rechten packte er den Kopf des Mannes, damit er nicht zur Seite kippte.
Der Mann wehrte sich verzweifelt, aber Victor war stärker. Außerdem war er durch die Gehirnerschütterung geschwächt. Er verlor das Bewusstsein, und Victor ließ ihn los. Eine Minute länger, und er wäre tot gewesen, aber da Victor ihm die Kleidungsstücke abnehmen würde, konnte er ihn zum Dank zumindest am Leben lassen.
Nachdem er sich umgezogen hatte, stopfte Victor den Bewusstlosen, so gut es ging, in seine eigenen Kleider und begoss ihn mit dem restlichen Wodka. Wenn er wieder zu sich kam und etwas von einem Überfall faselte, dann würde man ihn als Säufer abtun. Zumindest so lange, bis Victor genügend Vorsprung hatte.
Er verließ die Toilette und steuerte den Ausgang der Raststätte an, den Kopf gesenkt, aber nicht zu tief. Die Kleider des Mannes schützten ihn vor der Kälte, doch der Wind traf immer noch schmerzhaft auf sein entblößtes Gesicht. Er hastete über den Parkplatz in Richtung Straße, wo eine kleine Gruppe von Menschen an einer überdachten Bushaltestelle stand.
»Entschuldigung, wann fährt der nächste Bus in die Stadt?«
Eine alte Frau überlegte kurz. »Fünf Minuten.«
»Danke«, sagte er.
Er war erschöpft, brauchte dringend eine Pause, aber die konnte er sich noch nicht leisten. Von Kohtla-Järve würde er mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die estnische Hauptstadt Tallinn gelangen. Dort wollte er den ersten Flug außer Landes nehmen. Im Augenblick war ihm jedes Ziel recht, bevor er wieder nach Frankreich
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