Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
National Clandestine Service, dessen Aufgabe darin bestand, sämtliche Aktivitäten der US-Nachrichtendienste zu koordinieren, legte den Telefonhörer auf die Gabel, erhob sich, knöpfte sein Jackett zu und verließ das Büro.
Mit langen Schritten machte Procter sich auf den Weg durch die gesichtslosen Korridore bis zum Konferenzraum. Es dauerte keine Minute, bis er die Tür aufstieß. Alle anderen saßen bereits um den langen, ovalen Tisch herum. Die Operation Ozols war ein großes Ding gewesen, und viele Menschen, selbst wenn sie persönlich rein gar nichts dazu beigetragen hatten, waren an ihrem Erfolg und jetzt also an ihrem Scheitern beteiligt.
Die Höflichkeitsfloskeln blieben auf ein Minimum beschränkt, während Procter seinen Platz einnahm. Ihm gegenüber
saß die Leiterin des NCS, Meredith Chambers. Sie war klein und zierlich, mit einem schmalen Gesicht und ergrauenden schwarzen Haaren, die sie unter keinen Umständen färben wollte. Sie war etliche Jahre älter als Procter, aber er musste zugeben, dass sie ziemlich gut aussah für ihr Alter, auch wenn ihm Frauen mit etwas Speck auf den Hüften eigentlich lieber waren. Sie trug einen guten, marineblauen Hosenanzug und wirkte majestätisch wie immer. Seit nicht einmal einem Jahr leitete sie den NCS und war nach Procters Einschätzung immer noch nicht ganz trocken hinter den Ohren. Ihr Büro war zwar um einiges größer als seines, aber dafür hatte er den besseren Ausblick. Er hätte seine Pension darauf gewettet, dass sie im Bett eine Granate war.
»Also«, begann Chambers. »Man hat mir gesagt, dass wir Alvarez in der Leitung haben. Hören Sie mich?«
Alvarez’ Stimme drang durch die Lautsprecher auf den Tischen und war gut zu verstehen. »Ja, Madam.«
Procter kannte Alvarez recht gut und wusste auch, dass dieser nicht nur alle Eigenschaften besaß, die einen guten Operativ-Agenten auszeichneten, sondern auch einer von den wirklich Guten war. Pflichtbewusstsein und Patriotismus waren so tief in seiner Persönlichkeit verankert, dass in seinen Adern kein rotes, sondern rot-weiß-blaues Blut floss. Nach einer langen Karriere bei der CIA musste Procter zu seiner großen Verwunderung feststellen, dass solche geradlinigen Charaktere wie Alvarez dort eher die Ausnahme waren.
Chambers sagte: »Also gut. Ein paar von uns wissen schon, was sich heute abgespielt hat, andere nicht. Fassen Sie doch zu Anfang bitte noch einmal zusammen, was es mit dieser Operation auf sich hat.«
»Heute früh, Pariser Zeit«, begann Alvarez, »war ich mit einem gewissen Andris Ozols verabredet, einem ehemaligen Offizier der russischen Marine und vorher der Sowjetflotte. Ozols hat behauptet, die genaue Position einer russischen Fregatte
zu kennen, die im Jahr 2008 im Indischen Ozean gesunken ist. Die Russen haben dieses Unglück, das auf eine Fehlfunktion der Maschinen zurückzuführen war und zum Tod der gesamten Besatzung geführt hat, niemals zugegeben, zum einen, weil es zeitlich sehr dicht an einigen Seemanövern der russischen und chinesischen Marinestreitkräfte in diesem Gebiet lag, und zum anderen, weil das Schiff, nach Ozols Angaben, acht Anti-Schiff-Lenkwaffen vom Typ Onyx an Bord hatte.«
Chambers sagte: »Jetzt hätte ich gerne, dass William uns etwas über die Onyx erzählt.«
William Ferguson, der Leiter der Russlandabteilung und einer aus der alten Garde der CIA, saß auf derselben Tischseite wie Procter. Er war bereits Ende sechzig und hatte tiefe Falten im Gesicht, aber noch besaß er dichtes graues Haar, das er sich aus der hohen Stirn nach hinten gekämmt hatte. Wenn er nicht seinen langen Mantel trug, der ihn massiger erscheinen ließ, als er war, dann wirkte er schmächtig, fast schon halb verhungert, aber niemals schwach. Er hatte drei Einsatzzyklen in Vietnam mitgemacht und mehr bedeutende Orden erhalten, als Procter dicke Finger hatte. Der alte Knabe war ein unerschütterlicher Patriot und Spion, der mehr als vierzig Jahre lang für Amerika die so eminent wichtige Drecksarbeit erledigt hatte. Die Liste seiner Heldentaten im Kalten Krieg gegen die Sowjets besaß eine legendäre Länge, und diejenigen, die von seinen Leistungen wussten, sahen in ihm mit Fug und Recht einen echten Helden. Er war zwar zehn Jahre älter als Procter, aber in der Hierarchie eine Stufe unter ihm angesiedelt. Das war, so sah es zumindest aus Procters Blickwinkel aus, Fergusons Entscheidung gewesen. Er war aus freien Stücken im Schützengraben geblieben, und Procter bewunderte
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