Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
ihn dafür.
»Die SS-NX-26 Onyx«, fing Ferguson mit seinem trägen Bariton an zu sprechen, »ist schlicht und ergreifend das Lenkwaffensystem, das wir gerne selbst entwickelt hätten. Sie ersetzt die SS-22 Sunburn, die wiederum von etlichen Experten einschließlich
mir selbst als die gefährlichste Rakete der Welt bezeichnet worden ist. Aber die Onyx verfügt über ein noch größeres Bedrohungspotenzial.«
Er räusperte sich, dann fuhr er fort: »Diese Lenkwaffen versauen einem den ganzen Tag, und zwar garantiert. Die Reichweite beträgt hundertzweiundsechzig Seemeilen. Sie können, wenn nötig, in einer Höhe von drei Metern fliegen und zwar mit zweieinhalbfacher Schallgeschwindigkeit, bestückt entweder mit einem zweihundertfünfzig Kilogramm schweren konventionellen Sprengkopf oder aber mit einem Zweihundert-Kilotonnen-Atomsprengkopf. Zum Vergleich: Unsere vergleichbaren Systeme, die Harpoon und die Tomahawk, haben eine Reichweite von unter fünfzig Seemeilen und erreichen nicht einmal Schallgeschwindigkeit. Als würde man einen Tretroller mit einem Rennwagen vergleichen.
Dabei ist es gar nicht nur die Geschwindigkeit oder die Reichweite, die unseren Admirälen schlaflose Nächte bereitet, es ist die Präzision dieser Waffen. Sie ist wirklich außergewöhnlich. Im Jahr 2003 haben Russland und China ein gemeinsames Seemanöver im Indischen Ozean veranstaltet und dabei Attacken auf angreifende amerikanische, trägergestützte Kampfverbände simuliert. Der Zeitpunkt dieser Demonstration war kein Zufall, da wir damals ebenfalls unsere Muskeln haben spielen lassen, und zwar in der gleichen Gegend.« Er ließ ein schiefes Lächeln sehen. »Der Höhepunkt der Show bestand darin, dass ein chinesischer Zerstörer eine Sunburn mit einem Übungssprengkopf abgefeuert hat. Eine Hochgeschwindigkeitskamera hat den Einschlag der Rakete aufgezeichnet. Sie traf mitten ins Zentrum eines großen, weißen Kreuzes auf dem Rumpf eines Schiffes in über sechzig Seemeilen Entfernung. Die Sunburn ist dabei nur sieben Meter über der Wasseroberfläche geflogen. Die Onyx ist schneller, besitzt eine höhere Frachtkapazität und ist noch schwieriger zu lokalisieren, geschweige denn aufzuhalten. – Müssen wir uns wegen dieser Waffe also Sorgen
machen?« Ferguson ließ einen kurzen Blick durch den Raum schweifen. »Auf jeden Fall. Sie wurde bewusst so konstruiert, dass sie den Aegis-Radar und das Phalanx-Abwehrsystem, die wir zum Schutz unserer Schiffe einsetzen, überlisten kann. Der Nachfolger von Phalanx, die Rolling Action Missile, ist noch nie gegen diese Waffen getestet worden. Vereinfacht ausgedrückt: Wir haben keinerlei erprobte Verteidigungstechnologie gegen die Onyx oder die Sunburn. Sie bringen das Kräftegleichgewicht im Bereich der Seestreitkräfte in eine bedenkliche Schieflage. Einige wenige kleine Zerstörer können, bestückt mit diesen Lenkwaffen, einen gesamten Kampfverband inklusive Flugzeugträger lahmlegen. Wir haben nichts, was der Onyx auch nur annähernd gleichkommt. Und wir wollen sie haben. Koste es, was es wolle.«
Ferguson hatte seine kleine Ansprache genossen, das merkte Procter. Der alte Mann hatte seine ganze Karriere damit zugebracht, die Sowjets zu bekämpfen, aber seit dem Fall der Mauer waren seine Erfahrung und seine Kenntnisse längst nicht mehr so gefragt wie zuvor. Jetzt ging es vielmehr um den Nahen Osten als um die Russen. An Fergusons Stelle hätte Procter diese Entwicklung sehr bedauert. Aber wenn der alte Kämpfer irgendwelches Bedauern hegte, dann konnte er es sehr gut verbergen.
Jetzt wollte auch einer der anderen auf seine Kosten kommen. Nathan Wyley saß auf Procters Tischseite. Er war zwar knapp an die fünfzig, wirkte mit seiner lächerlichen, blonden, schlaffen Mähne aber mindestens zehn Jahre jünger. Aus irgendeinem Grund, den Procter bis jetzt noch nicht durchschaut hatte, konnte Wyley ihn nicht besonders gut leiden, aber letztendlich war es ihm sowieso egal, was dieser schlaksige Typ für Gefühle hatte.
»Warum, zum Teufel, haben die Russen so eine Rakete und wir nicht?«, wollte Wyley wissen.
Ferguson seufzte und gab seinem Stellvertreter, Sykes, ein
Zeichen. Procter wusste gar nicht genau, wie Sykes mit Vornamen hieß. Karl oder Kevin oder so. Er sah aus, als würde er gelegentlich ins Fitnessstudio gehen, allerdings nicht oft genug, um es in der Öffentlichkeit zu erwähnen. Sein genaues Alter kannte Procter nicht, schätzungsweise Mitte dreißig. Bei ungünstigem Licht
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