Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
Streichholzlänge stutzen und mit einer Mörderklinge den Bart abnehmen. Dabei verfolgte er auf einem Fernseher an der Wand einen Bericht über die Schießerei im Hotel. Bis jetzt hatte die Polizei nur wenige Einzelheiten bekannt gegeben. Der Tote in der kleinen Gasse wurde überhaupt nicht erwähnt, wahrscheinlich, weil ein Massenmord die Zuschauer sehr viel stärker faszinierte.
In einem Einkaufszentrum hatte Victor sich einen neuen Anzug, ein Hemd und Schuhe besorgt, jeweils in einem anderen Laden. Wenn er das alles in einem Geschäft gekauft hätte, dann hätte die Verkäuferin ihn womöglich nicht gleich wieder vergessen. Seine alten Kleidungsstücke überließ er in einem abgeschiedenen schmalen Durchgang den Obdachlosen der Stadt. Der einzige handfeste Beweis dafür, dass er überhaupt in Paris gewesen war, das waren die Leichen, die er zurückgelassen hatte.
Wenn er in Frankreich geblieben wäre, hätte er unter Umständen mehr über diejenigen erfahren, die ihn angegriffen hatten, aber dann hätte er sich sowohl vor seinen Jägern als auch vor den Behörden in Acht nehmen müssen. Außerhalb Frankreichs
stand es eins gegen eins. Ein deutlich besseres Chancenverhältnis.
Im Hotel hatte er sorgfältig darauf geachtet, den Überwachungskameras kein gutes Bild von seinem Gesicht zu liefern, aber vielleicht würde sich jemand vom Empfang oder ein anderer Gast an ihn erinnern. Der Bart, die Brille, die Frisur und die farbigen Kontaktlinsen würden sicherlich helfen, jeden Phantombildzeichner in die Irre zu führen, aber wahrscheinlich musste er sich trotzdem einer chirurgischen Korrektur seines Erscheinungsbildes unterziehen. Er seufzte tief. Es war eine Notwendigkeit, die er im Lauf der Jahre gezwungenermaßen akzeptiert hatte, aber er würde sich niemals wirklich daran gewöhnen. Das Gesicht, das ihn aus dem Spiegel anstarrte, war schon lange nicht mehr seines. Er hatte es so oft verändert, dass er schon gar nicht mehr wusste, wie er in Wirklichkeit aussah. Manchmal war er froh darüber.
Der Internet-Browser war endlich geladen, und er gab die Adresse eines Proxy-Servers ein, auf dem er unter falschem Namen ein Konto unterhielt. Mithilfe dieses Proxy-Servers verschleierte er die tatsächliche IP-Adresse seines Computers und gab die Webadresse eines in Südkorea basierten Online-Spieleforums ein.
Das Spiel war sehr beliebt, und im Forum waren Hunderttausende Nutzer registriert. Außerdem besaß es ein eigenes, ausgefeiltes Sicherheitssystem, um Hackern möglichst keine Chance zu lassen. Vielleicht nicht optimal im Fall von behördlichen Nachforschungen, doch angesichts der gewaltigen Datenmengen, die über den Server des Forums abgewickelt wurden, war es so gut wie unmöglich, dass irgendjemand seine Beiträge abfing.
Victor gab seinen Benutzernamen und sein Passwort ein und wählte die Instant-Messaging-Funktion. Das war ihm lieber als die traditionellen Message-Boards, bei denen einzelne Beiträge praktisch endlos gespeichert werden konnten. Beim Instant
Messaging hinterließen die Daten keinerlei Spuren im Forum, sondern ausschließlich auf seinem und auf dem Computer des Maklers, der die Nachricht empfing.
Sobald er sich eingeloggt hatte, sah er, dass das einzige Mitglied seiner Kontaktliste online war.
Der Makler.
Mit einem Doppelklick öffnete Victor ein Chatfenster. Er tippte eine Nachricht. Um die Chancen der US-amerikanischen und der britischen Nachrichtenüberwachung noch weiter zu schmälern, vermied er jedes allzu offensichtliche Stichwort, auf das die Supercomputer der staatlichen Dienste programmiert waren. Also kein Allahu Akbar oder etwas in der Richtung.
Ich hatte ein Problem.
Fast postwendend kam die Antwort: Was ist passiert?
Da war ein Mitbewerber mit im Spiel.
Was soll das heißen?
Sieben Vertreter der Konkurrenz, alle sehr gut über meine Pläne informiert. Sie haben das Ende meiner morgendlichen Sitzung abgewartet und mir dann eine neue Stellung angeboten. Dauerhaft.
Die Antwort ließ einige Sekunden auf sich warten. Das tut mir leid.
Sparen Sie Ihr Mitleid für die anderen. Meine Preise waren unschlagbar.
Heißt das, Sie haben den Handel abgeschlossen?
Ja, tippte er. Der Kunde konnte meinem Angebot nicht widerstehen.
Haben Sie das Objekt erhalten?
Victor dachte kurz nach und schrieb: Ja.
Was wollen Sie von mir?
Eine Erklärung.
Das verstehe ich nicht.
Dann gestatten Sie, dass ich Sie aufkläre. Außer mir wussten lediglich Sie und Ihr Auftraggeber, dass ich dieses
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