Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
ändert sich dadurch grundlegend. Von diesem Tag an werden die Anwärter so behandelt, als wären sie der Mühe wert.
Im zweiten Abschnitt von BUD/S werden die SEAL-Anwärter zu Kampfschwimmern ausgebildet. Sie werden zunächst mit offenen Tauchsystemen vertraut gemacht, dann mit exotischeren Formen wie Kreislaufatemgeräten und Mischgassystemen. Sie lernen, lange Strecken unter Wasser zurückzulegen und exakt von einem Punkt zum anderen zu navigieren. Die Anwärter tauchen zwei- oder dreimal am Tag, und zwischen den Tauchgängen finden physische „Evolutions“ statt, beispielsweise Läufe auf Zeit, Hindernisläufe und natürlich weitere Schwimmübungen.
Auch die Theorie wird anspruchsvoller. Die SEAL-Anwärter lernen nicht nur Tauchphysik und alles über die mechanischen und elektronischen Eigenschaften ihrer Tauchstationen, sondern auch den Umgang mit Unterwasser-Schleusenkammern und die Physiologie von Tauchkomplikationen wie Gasembolien, Tiefenrausch und Dekompressionskrankheit. Sie studieren die Grundsätze hyperbarischer Medizin und erfahren, wie man Taucherrettungskammern bedient. Wer die Theorie nicht schafft, fliegt genauso schnell wie jemand, der nicht schnell genug läuft.
Der dritte Ausbildungsabschnitt ist dem Landkrieg gewidmet. Er beginnt mit einer Scharfschützenausbildung und einer Einführung über das klassische Sturmgewehr M-16. Die Anwärter lernen, jede Waffe im US-Arsenal zusammenzusetzen und zu zerlegen – Pistolen, Maschinengewehre, Maschinenpistolen, Sturm- und Scharfschützengewehre sowie Panzerabwehrwaffen und Granatwerfer. Die Stoppuhren klicken, wenn SEAL-Anwärter diese Waffen mit Augenbinden auf Zeit zerlegen und wieder zusammensetzen. Die Teilnehmer erlernen aber auch den Umgang mit den wichtigsten von den Feinden der USA eingesetzten Waffen wie dem AK-47 und seinen Abwandlungen, dem RPK, dem AKM und dem AK-74.
Die letzten sechs Wochen des dritten Ausbildungsabschnitts verbringen die angehenden SEALs auf einer marineeigenen Insel namens San Clemente vor der Pazifikküste. Dort nehmen sie an Schnellkursen in Landnavigation, Guerillataktik, Kommunikation, Treffsicherheit im Kampf, fortgeschrittener Erster Hilfe und der Entschärfung von Sprengsätzen teil.
Sie erlernen die Kunst der hydrografischen Aufklärung und erfahren, wie man nachts an Land geht, um ein Ziel auszuspähen, wie man Infrarotkameras einsetzt und Karten zeichnet. Höhepunkt der Ausbildung auf der Insel ist ein siebentägiger „Krieg“, in dem die Anwärter einen Bereich der Insel ausspähen, unter Wasser Hindernisse lokalisieren und Sprengeinsätze durchführen.
All diese Übungen werden mit scharfer Munition und echtem Sprengstoff durchgeführt. Der Spielraum für Irrtümer und die Fehlertoleranz sind gleich null. Manche SEALs bezeichnen die letzten sechs Wochen auf San Clemente als schlimmer als die Höllenwoche. Vielleicht sind sie das. Die Belastung für die Offiziere in der Klasse ist sicherlich ungleich höher, denn sie müssen unter den kritischen Augen ihrer Ausbilder Angriffe und Sprengeinsätze planen und leiten – und diese Ausbilder sind ausnahmslos kampferprobte Soldaten, die solche Operationen schon selbst durchgeführt haben.
26 Wochen nach dem Start von BUD/S stehen die SEAL-Anwärter wieder im Hof der Naval Special Warfare Training Group auf dem Asphalt. Die Abschlusszeremonie bei BUD/S ist unspektakulär. Im Gegensatz zum Q Course der Green Berets, den die Absolventen mit der Aushändigung der berühmten Kopfbedeckung beenden, von der sie immer geträumt haben, sind die Marinesoldaten, die BUD/S abschließen, offiziell noch immer keine SEALs. Vor ihnen liegen noch eineinhalb Jahre weiterführende Ausbildung. Dazu gehören militärisches Fallschirmspringen mit freiem Fall und fortgeschrittene Kurse in diversen Fächern, von Einsätzen zur Terrorismusbekämpfung bis zu Grundkenntnissen über Chemie-, Bio- und Atomwaffen.
Es heißt, die Ausbildung zum SEAL sei weniger Wettstreit mit anderen als vielmehr Kampf gegen sich selbst. Keine körperliche Konditionierung bereitet die Anwärter auf diese Herausforderung vor. Sie müssen leiden. Dabei ist Härte gegen sich selbst gefordert.
Doch so schwer BUD/S auch zu bestehen ist, für die SEAL-Teams im Einsatz wird das Leben noch härter. Was auf Coronado passiert, ist Übung. SEAL-Einsätze im wirklichen Leben sind Kampf. BUD/S muss hart sein. Die Männer, die es in die Teams schaffen, müssen zuverlässig sein, mitdenken, sich anpassen – und
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