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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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bringen. Es gelang ihm nicht. Vier zerknüllte Blätter mit den gestammelten Versuchen lagen im Papierkorb unter seinem Schreibtisch. Er blickte auf das Blatt vor ihm. Immerhin war die Seite halb gefüllt. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen, und die Welt um ihn herum schien zu zerfließen. Er hielt sich an der Schreibtischplatte fest, die Finger seiner rechten Hand krallten sich gegen das Holz. Sein Mageninhalt bewegte sich langsam, aber stetig nach oben, obwohl da gar nichts mehr sein konnte. Schon in der vergangenen Nacht hatte er sich auf dem Heimweg vom Rübezahl mehrmals übergeben, ein letztes Mal in der Küche. Es gelang ihm nur mit Mühe, den Spülstein zu reinigen. Zum Glück bekam Luise nichts mit, sie schlief so fest wie lange nicht mehr. Luise - das war auch so ein Thema. Sie redete kaum noch mit ihm. Wenn sie ihn ansah, hatte er das Gefühl, genauestens examiniert zu werden. Aber darüber wollte er jetzt nicht auch noch nachdenken. Er konzentrierte sich auf die Schreibmaschine. Der Fall Dora Zegg musste abgeschlossen werden. Endgültig. Das hatte ihm Rudat gestern Nachmittag unmissverständlich gesagt. Diese kleine Nutte war von einem feigen Fahnenflüchtigen auf der Flucht getötet worden. Basta! Damit war die Sache klar, erledigt und nicht der Rede wert. Um den Deserteur kümmerten sich andere. Das war nicht seine Aufgabe. Und wenn dieser entflohene Soldat gefasst würde, was ohne Zweifel in Kürze der Fall sein werde, wird er gehängt. Schluss - aus - vorbei. Eine Anklage wegen Mord an einer Nutte war da völlig überflüssig. Rudats Anweisung war klipp und klar:
    »Sie und Rösen arbeiten ab morgen an der S-Bahn-Sache. Da brauchen wir jeden Mann!«
    Daut hatte nur stumm genickt. Was sollte er auch erwidern. Die Logik war bestechend. Doch das war noch nicht alles. Daut hatte es befürchtet. Nur um ihm mitzuteilen, dass der Prostituiertenmord zu den Akten zu legen sei, hätte der Kriminaldirektor ihn nicht in sein Büro zitiert. Das kam nur alle Jubeljahre vor und nicht wegen einer solchen Lappalie. Da musste mehr dahinterstecken, und er musste nicht lange auf Aufklärung warten. Rudat richtete sich kerzengerade in seinem bequemen Bürosessel auf und lächelte Daut an. Oder grinste er? Auf jeden Fall bemühte er sich um einen freundlichen Tonfall.
    »Und wenn wir dieses S-Bahn-Monstrum endlich geschnappt haben, warten andere Aufgaben auf Sie, Daut. Ich habe da so was läuten hören. Sie müssen einflussreiche Freunde haben. Da steht was an. Das wird sich für Sie lohnen, Daut. Ich gönne es Ihnen, und Sie können ja auch jede Mark gebrauchen, wo doch noch ein Kind unterwegs ist. Außerdem kommen Sie endlich raus hier. Ein paar Monate frische Luft und sinnvolle Arbeit. Bevor Ihr Baby da ist, sind Sie zurück. Unsere Jungs machen da kurzen Prozess in Russland, Sie werden sehen.«
    Anschließend hatte Rudat ihn noch zur Tür begleitet.
    »Jetzt machen Sie sich noch einen schönen Abend. Sie können ruhig schon ein bisschen feiern.«
    Gefeiert hatten Rösen und er dann auch. Im Rübezahl. Aber auf was tranken sie eigentlich? Einen abgeschlossenen Fall? Dauts bevorstehende Beförderung? Was hieß hier Beförderung! Es war undenkbar, dass er schon jetzt Kriminalrat wurde, schließlich war es gerade mal zwei Jahre her, dass er Kommissar geworden war. Nein, das konnte nicht sein. Als er Rösen von Rudats Andeutungen erzählte, meinte der Kollege lapidar:
    »Bekommen die Mitglieder der Einsatzgruppen nicht satte Entschädigungszahlungen?«
    Daut wusste es nicht, er hatte nie darüber nachgedacht. Aber wahrscheinlich wurde der Dienst fernab der Heimat besonders honoriert. Warum sonst waren viele so scharf darauf? Er war es nicht. Aber blieb ihm eine Wahl? Wenn Schellenberg mit einem wie ihm redete, war etwas im Busch, so viel stand fest. Er hatte in diesem Salon Kitty in ein Wespennest gestoßen, und jetzt wollten sie ihn loswerden.

    Daut brachte nach zwei Stunden endlich einen halbwegs zusammenhängenden Bericht zustande. Es war ohnehin egal, was er schrieb und ob es einen Sinn ergab. Die Fahndung nach dem Mörder von Dora Zegg war eingestellt, was auch immer in seinem Abschlussbericht stand.
    Er stand von seinem Schreibtisch auf, was ihm erneut Übelkeit verursachte. Vorsichtig legte er den Bericht in den Ausgangskorb und zog sich die Jacke über.
    Rösen, der in diesem Augenblick das Büro betrat, schaute ihn überrascht an.
    »Wohin willst du denn jetzt? Wir haben hier genug zu tun.«
    Daut schob sich

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