Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
Vom Netzwerk:
lesen.
    »Muss ja was richtig Spannendes sein, hast seit einer Ewigkeit nicht mehr umgeblättert.«
    Daut ließ die Zeitung sinken. Auch Luise hatte den Kopf gehoben und schaute ihn an.
    »Wir müssen reden, Axel!«
    »Dass ausgerechnet du das sagst. Du schweigst dich doch den ganzen Tag aus!«
    Luise stand auf und setzte sich neben ihn auf das Sofa. Sie faltete die Hände im Schoß.
    »Ich weiß, dass dir nicht gefallen wird, was ich dir sage.«
    »Ich habe dir auch etwas zu sagen, was dir nicht gefällt.«
    »Wer fängt an?«
    Für einen Moment schien die Leichtigkeit zurückzukehren, die ihre Beziehung in den ersten Jahren ausgezeichnet hatte. Damals war alle einfach und klar.
    »Komm, wir ziehen Pinnchen. So wie früher«.
    Daut benutzte die heimatliche Mundart, als könne er die Vertrautheit damit festhalten.
    Wenn sie sich in den Anfangsjahren ihrer Liebe überschlugen und jeder dem anderen unbedingt jetzt und sofort etwas mitteilen musste, nahmen sie zwei Streichhölzer. Von einem Hölzchen brachen sie ein Stück ab. Daut nahm vor Luise verborgen eines in jede Hand und streckte die geschlossenen Fäuste vor sich. Luise musste raten. Meistens tippte sie auf links, und deshalb steckte Daut das kurze Stück in die rechte Hand, damit sie entscheiden durfte, wer zu erzählen begann. Denn das war die Regel: Wer gewann, hatte die Wahl. Heute steckte er das kurze Stück in die linke Hand, weil er hoffte, nicht als Erster reden zu müssen.
    Luise überlegte nicht eine Sekunde: »Rechts.«
    Daut öffnete die Hände. Früher hatte Luise in diesem Moment laut gelacht, egal, wie das Ergebnis war. Jetzt sagte sie emotionslos: »Du fängst an.«
    Daut legte die Streichhölzer auf die Tischplatte und richtete sie mit dem Zeigefinger exakt aus.
    »Sie haben mir den Fall weggenommen.«
    »Welchen Fall?«
    »Den Mord an der Dirne, du weißt schon. Der Mörder soll ein desertierter Soldat sein, und da sind wir nicht zuständig.«
    »Gut. Dann kannst du dich um den S-Bahn-Mörder kümmern. Man traut sich als Frau nicht mehr auf die Straße. Ist das alles?«
    Daut erschrak, wie barsch und hart Luise sein konnte. Er schüttelt den Kopf und wartete auf eine Ermunterung weiterzureden. Seine Frau jedoch schwieg. Er senkte die Stimme noch weiter, als er wieder zu sprechen begann.
    »Die gute Nachricht kommt noch. Ich werde befördert. Oder zumindest etwas Ähnliches. Auf jeden Fall verdiene ich mehr Geld, und wir können uns eine bessere Wohnung suchen, bevor das Baby kommt.«
    Er streckte die Hand aus und tätschelte über Luises dicken Bauch. Sie wich zurück.
    »Befördert? Nach nicht einmal zwei Jahren? Da ist doch was faul.«
    Es hätte ihm vorher klar sein müssen, dass er Luise nichts vormachen konnte. Das war ihm noch nie gelungen. Sie witterte drohendes Unheil sofort, vor allem, wenn es ihre Familie betraf. Da war sie das beschützende Muttertier.
    »Nun ja, es ist keine richtige Beförderung. Aber wenn man bei einer Einsatzgruppe arbeitet ...«
    Axel konnte den Satz nicht beenden. Seine Frau sprang auf, stieß dabei das halb volle Limonadenglas auf dem Tisch um und schrie:
    »Einsatzgruppe? Du willst mir doch nicht etwa sagen, dass du in den Osten gehst?«
    Daut schwieg. Was sollte er auch erwidern. Die Wahrheit stand klar und unmissverständlich im Raum.
    »Ach so«, sagte Luise und begann auf und ab zu gehen, »dann ist ja alles klar. Mein werter Herr Gatte, der Kriminalkommissar Axel Daut, angetreten, das Gute und Wahre vor dem Bösen und Falschen zu beschützen, hilft dabei, im Osten mal so richtig aufzuräumen.«
    Daut starrte seine Frau an. Ihr Gesicht war zu einer Fratze verzogen, die er noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Selbst in den schlimmsten Wehenschmerzen vor Walters Geburt - und sie hatte damals unerträglich gelitten - machte sie nicht so eine Grimasse. Sie ging weiter mit festen Schritten in der Küche auf und ab. Ihre Stimme war laut und schrill, und Daut fiel nichts anderes ein als:
    »Nicht so laut, Luise. Die Kinder!!«
    »Die Kinder! Fang mir nicht an, von den Kindern zu reden. Es geht doch nicht um sie, auch wenn du das gerne hättest. Es geht um dich, Axel. Und um mich. Es geht darum, ob wir in zehn Jahren noch in den Spiegel schauen können, ohne uns zu ekeln! Darum geht es!«
    Luise beendet ihre Rede für einen Moment und wischte sich mit dem Schürzenärmel einen Speichelfaden aus dem Mundwinkel.
    »Weißt du, was da passiert im Osten? Hast du darüber einmal nachgedacht?«
    »Die Leier wieder. Du

Weitere Kostenlose Bücher