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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Fürstin hatte den Augenblick der Verwundbarkeit bei der Vordkönigin nicht wahrgenommen.
    Die Verbrennungen, die Verletzungen und die Belastung, so viel Schmerz zu erleiden, hatten sie zweifelsohne geschwächt, im Elementarwirken, im Körper und vor allem im Verstand. Jetzt war der rechte Zeitpunkt, Druck auf sie auszuüben, festzustellen, welche Informationen sie verraten und welche Schwächen sie offenbaren würde.
    Von irgendwo außerhalb des Nests ertönte ein hoher, heulender Schrei oder ein Pfeifen. Der Kopf der Königin ruckte zum Eingang herum und drehte sich dazu verstörenderweise im Halbkreis, und sie stand sofort vom Tisch auf, um zu der leuchtenden Kuppel hinüberzuschreiten.
    Isana sah ihr nach und spielte mit ihrem Essen herum. Sie war ausgehungert, aber dieses Gericht – das vielleicht irgendeine Art Marinade und Braten darstellen sollte? – schmeckte unvergleichlich ekelhaft.
    »Fürchterlich, nicht wahr?«, bemerkte Invidia. Sie schnitt sich einen kleinen Bissen ab, spießte ihn auf eine Gabel und verspeiste ihn geziert. »Ich glaube, auf einer Skala von eins bis zehn, auf der zehn für äußerst abstoßend und eins für fast essbar steht, wäre dieses Rezept nur mithilfe von Exponenten zu bewerten.«
    Isana aß den größten Bissen, den sie ertragen zu können meinte. Er war nicht sehr groß. Sie spülte ihn mit mehreren Schlucken Wasser in den Magen hinunter. Es hätte keinen Zweck gehabt, zu früh zum Angriff überzugehen. Selbst in ihrem gedämpften Zustand würde Invidia sicher alles wirklich Offene bemerken. »Ich nehme an, Essen muss nicht unbedingt gut schmecken, um einen am Leben zu erhalten.«
    »Aber um einen davon abzuhalten, Selbstmord zu begehen, muss es sehr wohl besser als das hier schmecken«, sagte Invidia. Sie richtete den Blick auf Isana und lächelte. Es war ein grotesker Gesichtsausdruck. »Was ist, Erste Fürstin? Was siehst du, das dich so verstört?«
    Isana schnitt sich noch einen Bissen von dem rechteckigen Block aus gebratenem Kroatsch ab. Sie aß ihn sehr langsam. »Es tut mir leid, dich so übel zugerichtet zu sehen, Invidia.«
    »Natürlich«, sagte Invidia in ätzendem Ton. »Nach allem, was wir füreinander getan haben, empfindest du selbstverständlich Mitleid mit mir.«
    »Ich finde, dass man dich für das, was du getan hast, am Halse aufhängen sollte, bis du tot bist, Invidia«, antwortete Isana sanft. »Aber das ist nicht dasselbe, wie dich solchen Schmerzen ausgesetzt zu sehen. Ich mag es nicht, irgendjemanden leiden zu sehen. Das gilt auch für dich.«
    »Jeder will irgendjemanden leiden lassen, Isana«, antwortete die frühere Hohe Fürstin. »Man muss nur erst ein Opfer und eine Ausrede finden.«
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte Isana leise.
    »Das ist die Wahrheit der Welt«, sagte Invidia rau. »Wir sind selbstlos, wenn es unseren Zwecken dient, oder wenn die Alternative schlimmer wäre. Aber niemand wünscht sich wirklich, selbstlos zu sein. Man sehnt sich nur nach dem Lob und dem Wohlwollen, das man einheimst, wenn man dafür gehalten wird.«
    »Nein, Invidia«, sagte Isana ebenso leise wie fest. »Nicht jeder ist so.«
    »Alle sind so«, sagte Invidia, deren Stimme vor unstetem Nachdruck zitterte. »Und du auch. Unter den Lügen, die du dir selbst erzählst, steckt ein Teil von dir, der mich hasst. Ein Teil von dir würde es genießen, mir die Augen herauszureißen und mich schreien zu hören.«
    »Ich hasse eine Schlange nicht, weil sie eine Schlange ist«, sagte Isana. »Aber ich lasse auch nicht zu, dass sie mir oder denen, die mir wichtig sind, etwas tut. Wenn es sein muss, töte ich sie so schnell und schmerzlos wie möglich.«
    »Das bin ich also für dich?«, fragte Invidia. »Eine Schlange?«
    »Das warst du«, sagte Isana ruhig.
    Invidias Augen funkelten vor fiebriger Aufmerksamkeit. »Und jetzt?«
    »Jetzt glaube ich, dass du ein tollwütiger Hund bist«, sagte Isana. »Ich habe Mitleid mit den Qualen solch einer armen Kreatur. Aber das ändert nichts an dem, was ich tun muss.«
    Invidia warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Was du tun musst?«, fragte sie. Immer noch lächelnd legte sie eine Fingerspitze auf den Tisch, und ein dünnes, gewundenes Rauchfähnchen begann aufzusteigen. »Was genau glaubst du mir denn antun zu können?«
    »Dich zerstören«, sagte Isana unverändert ruhig. »Ich will es nicht tun. Aber ich kann. Und ich werde.«
    »Du leidest unter Größenwahn.« Sie starrte Isana böse an. »Gut, du warst

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