Codex Alera 06: Der erste Fürst
wie ein geschleuderter Stein ein Spinnennetz zerreißt. Der Lärm war unbeschreiblich, genauso wie der durchdringende, moschusartige Geruch nach Garganten, der in der Luft lag. Die Tiere fegten wie ein Gewitter vorbei, wie eine Flutwelle aus Muskeln und Knochen, und hinterließen auf dem Boden verstreut zermalmte und gebrochene Vord.
Ein kräftiger Wind heulte auf, und Gräfin Calderon sauste nicht mehr als zwanzig Fuß über dem Boden vorbei, eilte der Spur der Verwüstung nach, die der vorderste Gargant und sein mit eisenharten Muskeln bepackter Reiter hinterlassen hatten. Der Saum ihres Mantels schnappte und knallte wie ein Dutzend Peitschen, so schnell schoss sie vorüber. Sie verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war.
Ehren fand sich über den verwundeten Fuhrmann gebeugt wieder, den behelfsmäßigen Knüppel in der Hand, und rang nach Luft, während es ihm in den Ohren tönte. Die Welt schien plötzlich ein sehr stiller Ort zu sein.
»Was …« Der Fuhrmann hustete. »Was ist gerade geschehen?«
Ehren starrte benebelt die Straße nach Westen entlang, zur Hauptmacht der Truppen, wo das zornige Heulen der Garganten jedes andere Geräusch ertränkte. Mehrere Menschengrüppchen waren an seiner Sichtachse noch vorhanden, dort wo verzweifelte Flüchtlinge sich zusammengetan hatten, um ihre unzureichenden Elementare gegen den Feind zu schicken, und wo Legionares einen Schild um Gruppen von Zivilisten herum gebildet und den Anprall überstanden hatten. Viele lagen tot und verwundet am Boden.
»Doroga«, hauchte Ehren. »Das war Clanhäuptling Doroga. Er muss es gewesen sein.« Er wandte sich dem Fuhrmann zu und ging daran, sich gründlicher um das Bein des Mannes zu kümmern. »Ich glaube, wir haben gerade Verstärkung erhalten.«
27
Mit der Vordkönigin zu reisen war, wie Isana fand, ein verstörendes Erlebnis – nicht unbedingt aufgrund der Fremdartigkeit der Umgebung, sondern wegen all der kleinen, vertrauten Dinge, die hier und da auftauchten.
Es hatten genug versklavte Ritter Aeris die Schlacht von Riva überlebt, um eine Windkutsche zu tragen, aber es waren herzlich wenig andere übrig. Jeden Abend, wenn die Dunkelheit über dem Land lag, begleitete Isana die Vordkönigin zur Windkutsche. Sie stieg unmittelbar vor der bienenstockartigen Höhle der Königin in die Kutsche. Die Kutsche erhob sich in den Himmel, genau wie jede andere Windkutsche, in der sie bisher geflogen war. Nach einiger Zeit landete sie wieder und setzte sie am Eingang einer neuen Höhle ab.
Die Königin führte Isana dann zurück in das neue Nest. Dutzende von Wachsspinnen arbeiteten zusammen, um Araris hochzuheben, der immer noch in einem sarggroßen Stück Kroatsch begraben war. Sie trugen ihn ins neue Nest hinunter und versiegelten ihn in der Wand wie zuvor.
Sobald das erledigt war, setzten sie sich an einen Tisch (es stand immer einer bereit, um sie zu empfangen), um gemeinsam eine Mahlzeit einzunehmen. Echte Kerzen erhellten die Tafel, obwohl das gespenstische Leuchten des Kroatsch mehr als genug Licht spendete, um zu sehen. Das Essen war … Isana war sich nicht sicher, ob sie es tatsächlich als eine Form der Folter bezeichnen sollte; vielleicht war es ja ebensowenig böswillig wie Tavis katastrophaler erster Versuch in seiner Kindheit, Pfannkuchen zu backen. Aber ganz gleich, ob Unwissenheit oder Niedertracht dafür verantwortlich waren, ihr drehte sich der Magen um bei diesem Essen. Isana hätte liebend gern auf die Erfahrung verzichtet, den Geschmack von Kroatsch- Scheiben kennenzulernen, die ohne großes Können in Nachahmung irgendeines aleranischen Gerichts zubereitet waren.
Mehrere Tage nach der Schlacht von Riva stieg Isana in das neue Nest hinab und sah zu, wie die Spinnen Araris ins Kroatsch einfügten.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, sagte die Vordkönigin.
Isana schaffte es gerade noch, nicht zusammenzuzucken. Ihr war nicht aufgefallen, dass die Königin gleich neben ihr stand. »Oh«, sagte sie in ausdruckslosem Ton. »Eine Überraschung?«
»Ich habe über deine Gründe nachgedacht, ordentlich vorbereitete Werkzeuge für das Abendessensritual zu wünschen.«
»Saubere Teller«, sagte Isana, »eine saubere Tischdecke? Sauberes Besteck?«
»Deine Art ist jung und schwach«, sagte die Vordkönigin. »Krankheit ist kein Feind der Vord. Wir leben schon länger als die meisten Krankheiten. Wir haben sie überlebt. Die hygienischen Rücksichten beim Abendessenritual sind unnötig.«
»Und
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