Codex Alera 06: Der erste Fürst
erfasste die Situation mit einem Blick. Ihre Nasenlöcher blähten sich, als sie die Luft im Nest testete und wohl für zuträglich befand. Sie hob die Hand, und ein Funke sprang aus ihren Fingern, um zur vertrauten Gestalt ihres Elementars aufzuflammen, eines wilden, feurigen Falken. Sie deutete mit einer Hand und stieß einen scharfen Pfiff aus, und der Feuerelementar sauste vorwärts, um eines der Klingenungeheuer zu rammen, die gegen Antillus kämpften. Es kam zu einer Explosion aus gleißenden Flammen – nicht größer als die Öffnung eines Melkeimers auf dem Wehrhof –, aber ihre Kraft riss die Klingenbestie vom Boden hoch und ließ sie keine sieben Fuß von Isanas Kopf entfernt gegen die Wand prallen.
Aria hob die Hand erneut, und der Falke wurde auf ihrem Handgelenk wiedergeboren, die flammenden Flügel bereits erhoben und erpicht darauf, sich in die Luft zu erheben. Arias Mund verzog sich zu einem eisigen kleinen Lächeln, als sie den Elementar wieder lossausen ließ und mit einem weiteren Auftosen von mit Feuer durchflochtenem Wind die zerstörten Überreste eines zweiten Klingentiers in die gegenüberliegende Wand des Nests einsinken ließ.
»Danke!«, rief Raucus in ruhigem, geschäftsmäßigem Ton und verlagerte seine Bewegung plötzlich, um unter den Waffen des letzten Klingentiers hindurchzutauchen und ihm die beiden vordersten Glieder dort vom Körper abzuschlagen, wo sie in den Rumpf übergingen und nur aus glattem Chitin bestanden. Das Klingentier wich zurück, aber Raucus machte eine tänzerische Drehung vorwärts, um nahe bei ihm zu bleiben und Schwung für einen Stoß mit der Klinge zu bekommen, der das ungeschützte Stück an Kopf und Oberkörper des Vord traf und tief in beide eindrang. Der Mund des Hohen Fürsten verzog sich zu einem wilden, zähnefletschenden Grinsen, und er stieß vor Anstrengung unvermittelt einen Schrei aus.
Einen Moment lang schien Licht aus den Gelenken des Klingentiers zu strömen, dort, wo seine Glieder am Körper ansetzten, und dann explodierte die Kreatur buchstäblich, als sich das rote Feuer von Antillus’ Schwert innerhalb des Körpers des Wesens zur Kugel eines Feuerwirkers ausdehnte. Stücke flogen in alle Richtungen, und kurz darauf stand der Hohe Fürst von Antillus allein da, die ganze Rüstung mit versengtem Sekret beschmiert. Er wandte rasch den Kopf und zwinkerte Aria zu.
»Angeber«, schniefte Aria. Sie wandte sich Isana zu und fragte: »Isana, geht es dir gut?«
Isana brachte ein kurzes, ruckartiges Nicken zustande. »Aria, hier stimmt etwas nicht!«
»Bleib unten und aus dem Weg! Wir reden später über Invidia«, erwiderte Aria und schloss sich Raucus an, als dieser sich umdrehte, um sich dem Kampf in der Nische zuzuwenden. Die beiden kamen leichtfüßig näher, zögernd wie zwei Tänzer, die auf die richtige Stelle im Takt warten, bevor sie auf die überfüllte Tanzfläche treten, und stürzten sich dann in die Schlacht gegen die Vordkönigin.
»Leute!«, brüllte eine Stimme von draußen – Fürst Placida. Das Donnern eines Feuerwirkens ertönte aus der Nähe. »Die Schlampe hat ihre Schoßtiere hergerufen! Beeilt euch!«
Isana schaute auf und sah, wie Placidus Sandos rückwärts Schritt für Schritt so breitbeinig den Hang hinunterstieg, dass er wie mit zwei Baumstämmen am Boden verankert war. Er hielt dieses gewaltige Schwert in den Händen – eigentlich führte er es sogar oft in nur einer Hand – und ließ es hin und her peitschen. Er wirkte wie ein Mann, der sich einen Weg durchs Unterholz freihackt: schwarze Chitin … stücke, denn Isana konnte sie nicht mehr genauer zuordnen, verteilten sich bei jedem Schwertstreich über den Boden. Nur war es in diesem Fall so, dass das Unterholz ihn verfolgte. Isana konnte ein Dickicht aus Fangschreckengliedern oberhalb von Fürst Placida sehen, als er sich Stück für Stück immer weiter vor dem Druck des Angriffs zurückzog.
Isanas Blick richtete sich wieder auf die Nische, in der die drei Cives die Vordkönigin eingekesselt hatten. Klingen schossen hin und her, und Körper bewegten sich, alle beinahe zu schnell, um gesehen zu werden. Die Kämpfer waren allesamt kaum mehr als verschwommene Schemen – infolge von Windwirken, so musste es sein. Funken stoben in blendenden Wolken auf. Isana hatte keine Ahnung, wie die Beteiligten auch nur durch sie hindurchsehen und sogar noch den Kampf fortsetzen konnten. Sie versuchte, ihnen über das Gewirr aus kleinen Explosionen und
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