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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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der Ereignisse und wie unerhört gefährlich unsere Reise geworden war. Was in Århus und später in Schwerin als spannende Recherche im Hinblick auf eine längst in Vergessenheit geratene Geschichte einer gewissen Rósa Benediktsdóttir aus dem siebzehnten Jahrhundert begonnen hatte, war plötzlich in Berlin zu einem Mordfall ausgeartet, der sich mühelos mit dem Professor und mir in Verbindung bringen ließ. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass ich einmal in einer derartigen Situation landen würde, ein Junge, der in den Westfjorden behütet bei seiner Tante aufgewachsen war. Hätte irgendjemand mir gesagt, dass all diese hanebüchenen Dinge passieren würden, hätte ich ihn ausgelacht.
    Ich hatte allerdings kaum Zeit, um über so etwas nachzudenken, solange die Ereignisse ihren Lauf nahmen, und im Nachhinein bezweifle ich, dass wir irgendetwas hätten anders machen können. Ich war nur ein Trabant des Professors, er bestimmte die Marschrichtung, doch ehrlich gesagt hatte auch er zu diesem Zeitpunkt nur noch zu einem sehr geringen Maße Einfluss auf den Gang der Dinge.
    Die Straßenbahnen fuhren um diese Zeit nicht mehr, und wir eilten durch die menschenleeren Straßen Berlins auf der Suche nach einem Taxi. Der Professor ließ jetzt völlig außer Acht, dass wir vorsichtig sein mussten, er stapfte mit dem Stock in der Hand vorwärts und fluchte darüber,dass keine Taxis unterwegs waren. Erst nach zehn Minuten stießen wir auf eines, das wir anhielten. Der Professor schärfte mir ein, meinen Mund nicht aufzumachen, und sagte dem Taxifahrer in makellosem Deutsch, wo wir hinwollten.
    Die Tür des Hauses, in dem Hilde Kamphaus lebte, war unverschlossen, und ich nahm die Treppen im Sturmschritt. Der Professor war langsamer, er versuchte aber schnaufend und keuchend, mir so schnell wie möglich zu folgen. Ich klopfte an die Wohnungstür und lauschte, aber nichts rührte sich. Ich klopfte wieder. Als der Professor oben angekommen war, hämmerte er mit seinem Stock gegen die Tür. Nichts geschah. Wir sahen uns besorgt an.
    »Wir müssen die Tür aufbrechen«, sagte der Professor.
    Die Tür zur Wohnung nebenan öffnete sich, und ein bulliger, etwa sechzigjähriger Mann steckte den Kopf heraus.
    »Was soll denn dieser Krach?«, fragte er.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte der Professor höflich. »Wir sind auf der Suche nach Hilde Kamphaus. Wissen Sie, wo sie sein könnte?«
    »Keine Ahnung«, sagte der Mann und taxierte uns argwöhnisch. »Was wollt ihr von ihr?«
    »Sind Sie ihr heute Abend irgendwann begegnet?«, fragte der Professor, ohne auf seine Frage einzugehen.
    Der Mann kam nicht ins Treppenhaus, sondern blieb in der Tür stehen, als sei er auf alles gefasst.
    »Nein, ich habe sie heute Abend nicht gesehen – und ihre Gören auch nicht.«
    »Waren vielleicht andere Leute hier im Haus?«
    »Nein, niemand.«
    »Vielen Dank«, sagte der Professor mit einem knappen Lächeln, »und entschuldigen Sie noch einmal die Störung.«
    Der Mann sah uns noch eine ganze Weile an und schien darauf zu warten, dass wir gingen, aber als das nicht geschah, schloss er die Tür.
    Der Professor war im Begriff, die Tür zu Hildes Wohnung aufzutreten, als sie mit ihren beiden Kindern im Treppenhaus erschien.
    »Sie schon wieder?«
    »Dem Himmel sei Dank«, sagte der Professor und ging ihr entgegen.
    Glücklicherweise wusste Hilde nichts von all dem, was in den letzten vierundzwanzig Stunden vorgefallen war. Über unseren Besuch an diesem Abend war sie genauso erstaunt wie über den ersten. Die Kinder drängten sich an ihre Mutter, als sie uns sahen, und ließen sie erst los, als wir in der Küche waren. Wir berichteten ihr, was geschehen war, dass Glockner ermordet worden war und dass Färber, der uns an ihn verwiesen hatte, schwer verletzt im Krankenhaus lag; die Verbrecher seien wahrscheinlich hinter demselben Buch her wie wir, der alten Handschrift, die Hilde aufbewahrt hatte. Sie sagte, dass niemand sie an diesem Abend belästigt hätte, und sie erklärte, keine Feinde zu haben. Sie sah uns zweifelnd an und schien wirklich nicht zu wissen, wovon wir sprachen.
    Der Professor versuchte, ihre Ängste zu beschwichtigen und damit gleichzeitig auch unsere eigenen. Er sagte ihr, dass sie vermutlich nicht in Gefahr sei. Die Spur des Buches, nach dem wir suchten, führe jetzt ganz überraschend nach Island. Er wollte aber unbedingt ganz auf Nummer sicher gehen und fragte Hilde Kamphaus, ob sie eine Freundin oder Verwandte hätte,

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