Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
kein Risiko eingehen.«
»Was für eine Sicherheit hat er?«
»Mein Wort«, sagte der Professor. »Das genügt ihm.«
Der Professor sagte mir, was er Vater und Sohn als Gegenleistung für die wiedergefundenen Seiten der Lücke anbot, und mit dieser Botschaft ging ich zur ersten Klasse und klopfte bei Erich von Orlepp an die Tür. Ich hörte ein Rascheln von drinnen, dann öffnete sich die Tür einen Spalt.
»Der Professor schickt mich«, sagte ich. »Er will mit dir verhandeln.«
Von Orlepps Augen weiteten sich, als er mich erblickte.
»Wo ist Joachim?«, fragte er.
»Es hat einen Unfall gegeben«, sagte ich. »Helmut ist tot. Wir haben den Codex Regius immer noch. Und der Professor will auch die verschollenen Seiten der Lücke zurück. Er will mit dir verhandeln. Er hat noch keine Meldung gemacht. Niemand an Bord weiß, wer ihr seid. Er ist bereit, euch zwei Tage Vorsprung zu lassen, wenn wir in Reykjavík angekommen sind. Das müsste genügen, um zu entkommen.«
Erich von Orlepp starrte mich durch den Spalt an.
»Wenn du nicht darauf eingehst, wird sich der Professor an den Kapitän wenden. Ihr werdet festgenommen.«
Von Orlepp zeigte keinerlei Reaktion.
»Wir sind auf dem Bootsdeck, du hast fünf Minuten«, sagte ich und drehte mich auf dem Absatz um.
Siebenundzwanzig
Ein stürmischer Wind pfiff uns um die Ohren, während wir auf dem Bootsdeck warteten. Ich starrte in das weiß aufschäumende Kielwasser des Schiffs, das in der Dunkelheit verschwand. Der Professor steckte seine Schnupftabaksdose in die Tasche zurück und stützte sich auf seinen Stock. Er hatte sich eine ordentliche Prise zu Gemüte geführt, die, soweit ich sehen konnte, zum größten Teil aus dem weißen Pulver bestand, und er hatte den kleinen Finger mit einem Taschentuch umwickelt, das voller Blut war.
»Glaubst du, dass er darauf eingeht?«, fragte ich und riss mich vom Kielwasser los. Ich musste sehr laut sprechen, um den Lärm des Winds zu übertönen.
»Schwer zu sagen. Er hat noch ein paar Minuten. Warten wir ab.«
»Wirst du zum Kapitän gehen?«
»Ja«, sagte der Professor. »Da bleibt mir gar nichts anderes übrig. Ich möchte nicht noch einmal hier an Bord mit diesen Männern aneinandergeraten, das kommt nicht in Frage. Du siehst, wozu sie imstande sind. Der Himmel mag wissen, was sie mit Sigmundur gemacht haben.«
»Der hat wohl denselben Weg genommen wie Helmut.« »Kann sein. Auf See fragt niemand danach, wenn jemand verschwindet.«
Joachim saß bewegungslos mit dem Rücken zur Reling auf den Deckplanken und verfolgte uns mit seinen Blicken.Es hatte den Anschein, als habe er sich komplett aufgegeben.
»Da«, sagte der Professor mit einem Mal und schaute in Richtung des Decks der ersten Klasse. »Kommt da nicht jemand?«
Als ich hinsah, kam Erich von Orlepp vom Deck der ersten Klasse heruntergehumpelt. Er spähte verstohlen in alle Richtungen, bevor er zu uns auf das Bootsdeck hochstieg. Wieder blickte er sich gründlich nach allen Richtungen um, als wolle er sich vergewissern, dass nur wir beide auf ihn warteten. Er sah Joachim an der Reling sitzen.
»Durchsuch ihn, Valdemar«, sagte der Professor. »Er könnte etwas bei sich tragen.«
Von Orlepp musterte mich verächtlich.
Ich gehorchte.
»Ich finde nichts«, sagte ich.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er seinen Sohn.
Joachim nickte beschämt.
»Was ist mit Helmut passiert?«
»Dein Sohn hat ihm eine Kugel in den Kopf gejagt«, sagte der Professor. »Ich könnte mir gut vorstellen, dass das eine der wenigen verdienstvollen Taten in seinem Leben gewesen ist.«
»Du!«, fauchte von Orlepp.
»Hast du die verschollenen Seiten der Lücke dabei?«, fragte der Professor.
»Woher weiß ich, dass du nicht doch zum Kapitän gehst und ihm alles erzählst, wenn du sie erst einmal in den Händen hast?«
»Du kannst mir vertrauen. Für den Fall, dass du mir sie jetzt aushändigst. Sonst wird es zu keiner Übereinkunft kommen.«
»Diese Seiten werde ich dir niemals überlassen.«
»Dann eben nicht.«
»Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mitkommen soll«, warf Joachim ein und stand auf. »Aber er hat ja noch nie auf mich gehört.«
»Was habt ihr mit Helmut gemacht?«, fragte der alte von Orlepp.
»Er ging über Bord«, sagte der Professor. »Und damit gibt es einen Schurken weniger auf dieser elenden Welt.«
Aus von Orlepps schwarzen Augen schossen Blitze.
»Hast du die Edda?«, zischte er.
»Ja«, sagte der Professor.
»Wo? Ich sehe sie
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