Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
reden«, erklärte der Professor. »Sag uns, was du mit der Edda gemacht hast.«
»Sag ihm, dass ich ihn sprechen will«, sagte der Professor. »Das wird nichts bringen.«
»Sei dir da nicht so sicher.«
»Wir verstehen nicht, wieso der Junge hier nicht zum Kapitän gegangen ist«, sagte Joachim und sah mich an. »Das hätte er tun sollen, sobald er wusste, dass wir an Bord waren. Wir haben eigentlich damit gerechnet, dass der Kapitän uns holen lassen würde. Warum hat er das nicht getan?«
Er hatte das Wort an mich gerichtet, aber ich antwortete ihm nicht.
»Weshalb nicht?«, wiederholte er. »Weshalb dieses Zaudern? Ihr hättet doch leicht Hilfe holen können. Wir befinden uns doch sozusagen in Island. Dieser Kahn hier ist isländisches Hoheitsgebiet!«
Joachim sah wieder den Professor an. »Was hast du mit der Edda vor?«, fragte er.
»Ich werde sie wieder nach Dänemark bringen. Eines Tages wird die Handschrift dann nach Island zurückkehren.«
»Sie ist auf dem Weg nach Island.«
»Aber nicht so, wie es sein sollte«, entgegnete der Professor.
»Nicht, wie es sein sollte«, stieß Joachim hervor. »Weshalb hat der Junge uns nicht verpfiffen? Worauf wartet ihr?«
Der Professor antwortete ihm nicht.
»Du hast auch deine kleinen Geheimnisse, nicht wahr?«, sagte Joachim von Orlepp.
Der Professor schwieg.
»Du möchtest wohl nicht, dass irgendjemand über die Edda Bescheid weiß«, sagte Joachim so verwundert, als sei er urplötzlich auf eine erstaunliche und mehr als offensichtliche Lösung gestoßen.
Der Professor gab ihm keine Antwort.
»Du bist ganz und gar in eigener Mission unterwegs! Du bist in einer hochnotpeinlichen Lage wegen der Handschrift, weil du sie dir hast wegnehmen lassen. Du hast niemandem davon erzählt, stimmt’s?«
Der Professor schwieg beharrlich.
»Deswegen hat man uns in Ruhe gelassen. Als ich den Jungen da außen am Schiff herumklettern sah, habe ich nicht kapiert, warum man uns nicht sofort arretiert hat. Er wusste, dass wir an Bord waren, aber er hat niemandem Bescheid gesagt …«
»Was war mit Färber?«, fragte der Professor unvermittelt, um Joachim abzulenken. »Wie habt ihr von ihm erfahren?«
Joachim flüsterte Helmut etwas zu. Der packte mich daraufhin an den Schultern und zog mich hoch. Meine Beine waren taub geworden, und er schob mich zu Joachim hin.
»Ihr beiden seid wie Hänsel und Gretel«, sagte Joachim. »Ihr hinterlasst überall Brotkrumen, wo ihr auch hingeht. Natürlich sind wir dir gefolgt, genauso, wie wir das in Schwerin gemacht haben. Ich stand die ganze Zeit in Verbindung mit meinem Vater, und als er erfuhr, dass ihr bei Färber wart, sagte er mir, ich solle mich mal mit ihm unterhalten. Sie kannten sich von früher. Helmut ist da vielleicht etwas zu weit gegangen, als Färber Widerstand leisten wollte.«
»Er hat euch von Glockner erzählt?«
»Nachdem Helmut die Kontrolle über sich verloren hatte, boten wir Färber an, ihm zu helfen, falls er uns sagen würde, was wir wissen wollten. Wir haben ihn nach deinem Besuch befragt, und bevor er das Bewusstsein verlor, sagte er, er habe euch an Glockner verwiesen. Er ging davon aus, dass Glockner die Edda hatte und versuchte, sie zu Geld zumachen. Da kamen wir aber ein wenig zu spät, und Glockner war nicht so kooperativ wie Färber. Wir mussten die Informationen über den Käufer und seine Rückreise nach Island buchstäblich aus ihm herausquetschen.«
»Und du warst es, der dafür gesorgt hat, dass wir in Schwerin freigelassen wurden?«
»Ja, denn wir wussten eines: Wenn jemand die Edda wiederfinden würde, dann du. Und das hat sich ja auch als richtig erwiesen. Du hast uns unschätzbare Dienste geleistet.« »Wieso ist Erich das Buch abhandengekommen?«
»Ich weiß, was du versuchst«, sagte Joachim. »Du willst Zeit gewinnen. Du versuchst, einen Ausweg aus der Bredouille zu finden, in der du jetzt bist.«
»Ich bin nur neugierig«, sagte der Professor. »Ich bin sehr neugierig im Hinblick auf alles, was den Codex Regius betrifft.«
»Er wollte die Handschrift in Berlin verkaufen, aber es gab nur wenige, die Geschäfte mit ihm machen wollten. Mein Vater bewahrte sie in einem kleinen Koffer auf, der ihm während eines schlimmen Bombenangriffs in einem unterirdischen Bunker gestohlen wurde. Er hat in allen Berliner Antiquariaten danach gesucht. Es gab auch andere Bücher, die er verkaufen wollte, aber er war auf der Flucht und hatte an vieles zu denken. Dann wurde er von den Russen
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