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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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auf den Codex Regius und griff in seine Tasche.
    »Sieht nach nichts aus«, sagte Joachim.
    Erich von Orlepp zog die verschollenen Seiten aus der Tasche und reichte sie dem Professor.
    »Ich vertraue dir«, sagte er.
    »Ihr bekommt zwei Tage«, sagte der Professor und nahm die Seiten entgegen. »Nicht mehr und nicht weniger.«
    Er blickte wie in Trance auf die Pergamentseiten. Dann öffnete er die Handschrift und fügte sie ein.
    Der Codex Regius war wieder vollständig.
    Mir wurde ganz feierlich zumute. Der Codex Regius war wieder vollständig!
    Der Professor holte die Seiten wieder heraus und nahm sich Zeit, um sie genauer zu betrachten. Für einen Augenblick schien er Ort und Zeit vergessen zu haben. Ich sah die Freude in seinen Augen, die so lange daraus verbannt gewesen war.
    »Jetzt«, brüllte Erich von Orlepp seinem Sohn zu, und im nächsten Moment spürte ich einen lähmenden Schmerz im Gesicht, als Joachim mit zusammengebundenen Fäusten zuschlug und mir die Pistole entwand.
    »Zuerst den Jungen. Erschieß ihn zuerst«, befahl Erich seinem Sohn. »Gönnen wir dem Herrn Professor noch ein paar Höllenqualen, bevor wir ihn ebenfalls in den Tod schicken.«
    Der Professor sah mich verwirrt an. Das Blatt hatte sich im Handumdrehen vollkommen gewendet. Joachim stand breit grinsend vor uns, die Pistole in der Hand.
    Ich sah den Professor ratlos an. »Entschuldige«, war das Einzige, was ich herauspressen konnte. Ich hatte auf meinem Posten versagt.
    »Untersteh dich«, schnaubte der Professor Joachim an.
    Joachim ließ sich nicht beirren. Er hob die Pistole und richtete sie auf mich. Meine Knie wurden weich.
    »Schieß!«, bellte von Orlepp.
    »Tu dem Jungen nichts!«, bat der Professor.
    »Her mit der Edda!«, schrie von Orlepp.
    »Dieses Buch bekommst du nie!«, rief der Professor, und im nächsten Moment hatte er den Codex Regius in hohem Bogen aufs Meer hinausgeschleudert.
    »Professor!«, kreischte von Orlepp, der dem Buch fassungslos hinterherstarrte. Er traute seinen Augen nicht. »Bist du wahnsinnig geworden?«, schrie er.
    Ich war ebenfalls entsetzt über den Professor. Er hatte das vernichtet, was für ihn das Wertvollste überhaupt war, den Codex Regius . Jetzt war die Handschrift für alle Ewigkeit verloren. Er musste endgültig den Verstand verloren haben, das Kleinod aller Kleinodien über Bord zu werfen.
    »Geh zurück in deine Kabine«, zischte Joachim seinem Vater zu und wandte für einen Augenblick seine Augen von uns ab.
    Der Professor sah das. Er hatte es geschafft, uns alle aus der Fassung zu bringen.
    Er schlug mit seinem Stock nach der Waffe und fiel über den alten von Orlepp her. Ein Schuss ging mit einem seltsamen Knall los, und die Kugel schlug ins Wasser ein. Ich reagierte blitzschnell und stürzte mich auf den jungen Orlepp. Der hatte sich sofort wieder gefangen und richtete die Waffe auf mich. Der Professor hielt Erich von Orlepp an der Reling mit eisernem Griff umklammert. Joachim schwankte zuerst, richtete dann aber die Pistole auf ihn.
    Ich schrie dem Professor zu.
    Ein Schuss ging los und traf ihn in den Rücken.
    Ein weiterer Schuss traf ihn am Hinterkopf.
    Ich sprang Joachim an und warf ihn zu Boden. Der Professor fiel mit von Orlepp im Arm über Bord.
    Ich packte Joachim mit beiden Händen am Hals und drückte so fest zu, wie ich konnte, und schlug den Kopf ein ums andere Mal auf die Deckplanken, bis sie sich von seinem Blut rot färbten und er das Bewusstsein verlor. Ich hätte ihn umbringen können.
    Ich wollte ihn sterben sehen.
    Im letzten Moment kam ich zu mir. Ich war kein Mörder. Ich ließ seinen Hals los und hob die Pistole auf, die ihm aus der Hand gefallen war. Die Pergamentseiten konnte ich nirgends entdecken.
    Joachim lag bewusstlos am Boden. Eine seltsame Ruhe ergriff von mir Besitz, und ich weiß nicht, wie viel Zeit verstrich, bis ich durch das Tosen des Wetters hindurch einen Laut vernahm, der außen von der Bordwand kam. Als ich hinsah, erblickte ich eine Hand, die sich durch das Speigatt am Deck festklammerte. Ich richtete mich langsam auf, schaute über die Reling und sah den Professor, der am Schanzkleid hing. Er war schwer verwundet, der Kopf war blutüberströmt, aber er klammerte sich immer noch fest. Ich beugte mich über die Reling, so tief ich konnte, und mir gelang es, ihn in dem Augenblick beim Handgelenk zu packen, als sein Griff sich lockerte.
    Er blickte hoch und sah mich.
    Seine Lippen formten meinen Namen.
    Ich merkte, dass er zu schwer für

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