Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Seiten gefunden und mit ins Grab genommen! Die Lücke im Codex Regius !Wir müssen so schnell wie möglich hin, wir müssen nach Deutschland!«
»Wohin?«
»Natürlich nach Mecklenburg! Er liegt in Schwerin begraben.«
»Wer ist Rósa Benediktsdóttir?«
»Geduld, Valdemar. Ich erkläre es dir, wenn ich selbst etwas mehr Durchblick habe.«
»Und Hallsteinsstaðir?«
»Wir müssen uns beeilen. Wir müssen so schnell wie möglich rüber nach Schwerin.«
»Moment mal, als du mich neulich gebeten hast, dich nach Deutschland zu begleiten, wolltest du da auch nach Schwerin? Erinnerst du dich daran?«
»Nein, da ging es um etwas anderes«, sagte der Professor, »und ich weiß nicht, ob das irgendetwas bringen würde. Zumindest ist bis jetzt nichts dabei herausgekommen. Ich erzähle dir das vielleicht später einmal.«
Er marschierte los, und ich folgte ihm. Wir schafften es gerade noch so, die Fähre von Kristiansand nach Hirtshals zu erreichen, die am späten Nachmittag auslief, und ließen uns an einem freien Tisch in der Cafeteria auf dem Schiff nieder. Ich starrte den Professor an, der mir gegenübersaß, und nach und nach wurde mir klar, weshalb er nach Schwerin wollte.
»Was hast du mit diesem Grab von Jörgensen vor?«, fragte ich zögernd, denn ich hatte das Gefühl, dass ich die Antwort gar nicht wissen wollte.
Der Professor lächelte.
»Deswegen ist es so gut, dich dabeizuhaben«, war seine Antwort.
»Mich dabeizuhaben?«
»Es könnte etwas kompliziert werden, aber eigentlich glaube ich das nicht.«
»Du willst doch nicht etwa das Grab öffnen?«, flüsterte ich.
»Glücklicherweise brauchen wir nicht zu graben«, erklärte der Professor. Ich wusste nicht, ob das als Trost für mich gemeint war oder als Rechtfertigung für sein Vorhaben. »Du hast gehört, was der Sohn gesagt hat. Er ruht in einer Gruft.«
»Bist du verrückt?!«
»Hoffentlich verrückt genug«, entgegnete er.
»Wir können doch nicht einfach so ein Grab öffnen«, sagte ich. »Das ist nicht möglich. Es verstößt gegen das Gesetz. Es ist … Das ist einfach unmöglich! Das ist ein Sakrileg! Grabschändung! Da mache ich nicht mit, ganz bestimmt nicht! Und auf keinen Fall dort. Das Grab ist in der DDR, wie du weißt!«
»Niemand braucht etwas davon zu erfahren«, erklärte der Professor beschwichtigend.
»Ist das alles wegen dieser Deutschen bei Hviids ?«
Das Gesicht des Professors verzerrte sich. »Ja, die haben auch was damit zu tun«, gab er zu. »Aber darum geht es nicht, Valdemar. Begreifst du das nicht?«
»Was?«
»Möchtest du das nicht wissen? Möchtest du nicht herausfinden, ob die verschollenen Seiten der Edda tatsächlich dort sind? Ob sie wirklich noch existieren?! Ob wir sie finden können? Lässt dich das etwa völlig kalt? Du musst doch auch diese unglaubliche Spannung spüren, diese Nähe zu etwas, das zu … viel zu überwältigend ist, als dass man es in Worte fassen könnte?«
Ich blieb ihm die Antwort darauf schuldig.
»Valdemar?«, sagte er.
Die Vorstellung, die verschollenen Seiten aus dem Codex Regius zu finden, hatte durchaus seinen Reiz, das konnte ich nicht abstreiten. Auch wurde mir so langsam bewusst, wiedramatisch das alles zusammenhing, die Lücke im Codex Regius , die unleserlichen Marginalien und der potenzielle Grabraub, aber ich gebe gern zu, dass ich mich damals wie heute nicht sonderlich für Abenteuer zu erwärmen vermochte, insbesondere solche, bei denen es erforderlich war, in Gräber einzudringen.
»Wann wirst du das machen?«, fragte ich.
»So bald wie möglich. Wir haben nicht viel Zeit.«
»Verdammt noch mal«, brach es aus mir heraus.
»Das ist doch alles gar kein Problem«, erklärte der Professor. »Die Zeit drängt, und das hängt mit diesen Deutschen zusammen. Ich war schon einmal in Schwerin. Es ist wirklich keine große Sache. Vertrau mir, Valdemar, das ist alles kein Problem.«
»Kein Problem?! Du hast vor, in die Gruft eines Toten einzudringen.«
»So etwas geschieht ja nicht zum ersten Mal«, sagte der Professor. »Mach dir doch nicht so viele Sorgen. Du machst dir viel zu viele Sorgen, Valdemar. So ein junger Mensch wie du.«
Mir fiel nichts mehr ein. Der Professor zog eine Schnupftabaksdose aus der Tasche und nahm sich eine Prise. Mir kam er erstaunlich fit vor, gemessen an den Alkoholexzessen der letzten Zeit. Er klappte die Tabaksdose zu und steckte sie wieder in die Westentasche.
»Ich bereue es immer noch«, sagte er unvermittelt. Er schien mit sich
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