Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
glaube nicht, dass ich mitkommen kann.«
»Bist du ganz sicher?«
»Wir haben schon auf der Fähre darüber gesprochen«, sagte ich. »Es ist sehr schwierig für mich, mir jetzt freizunehmen, im Grunde genommen ist es unmöglich.«
»Was redest du denn da für einen Blödsinn?«
»Nein, das ist kein Blödsinn«, sagte ich.
»Was, wenn ich dir sage, dass es um Leben und Tod geht?«, sagte er.
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete ich. »Du sprichst in Rätseln, und ich begreife dich nicht.«
»Ich werde es dir unterwegs erklären«, sagte er.
»Unterwegs wohin?«
»Nach Schwerin.«
»Um in Jörgensens Gruft einzudringen?«
»Erinnerst du dich an die beiden Männer im Hviids Vinstue , die mir gegenüber an dem Abend unverschämt wurden? Sie könnten sie womöglich vor uns finden. Das ist es, was ich befürchte, und ich darf keine Zeit verlieren. Wir dürfen keine Zeit verlieren, Valdemar.«
Ich sah, dass es ihm ernst war. Er verlangte, dass ich mein Studium vernachlässigte und ihn begleitete, einzig und allein, weil er mich darum bat. Ich hatte nein gesagt, und jetzt fand ich, dass es reichte.
»Du kannst nicht einfach hier hereinschneien und von mir verlangen, dass ich … von mir verlangen, dass ich wegen irgendetwas, von dem ich nicht einmal weiß, ob es überhaupt existiert, mit dir in der Weltgeschichte herumgondele. Das Studium hier ist anspruchsvoll, das solltest du selbst am besten wissen …«
»Studium? Anspruchsvoll? Um Himmels willen, Valdemar!«
»Ich kann nicht mit dir kommen«, sagte ich und versuchte, entschlossen zu klingen. »Das ist ausgeschlossen.«
»Zum Teufel mit dir«, erklärte der Professor und stieß mit dem Stock auf. »Was bist du nur für ein verfluchter Waschlappen, Mensch! Wenn das deine Tante hört! Weshalb hat sie dich überhaupt aufgezogen? Hast du jemals darüber nachgedacht?«
»Du solltest jetzt gehen«, sagte ich.
»Du taugst wahrscheinlich genauso wenig zu etwas wie deine Mutter«, sagte er.
Ich starrte den Professor an.
»Hab ich etwa nicht Recht?«, fuhr er fort. »Hat sie dich nicht einfach bei deiner Tante zurückgelassen, als sie wieder einmal einen neuen Traumprinzen getroffen hatte?« »Was weißt du darüber?«
»Ich habe meine Verbindungen.«
»Geh«, sagte ich leise. »Mach, dass du hier rauskommst.« Der Professor machte keine Anstalten, sich zu rühren. Er hatte sich eine Prise Schnupftabak genommen und zog die Nase hoch.
»Entschuldige«, sagte er. »Ich benehme mich manchmal wie ein Idiot. Ich wollte dich nicht …«
»Ich möchte, dass du gehst«, sagte ich bestimmt.
»Stell dich doch nicht so an. Mir rutscht einfach manchmal das eine oder andere heraus, nimm dir das doch nicht so zu Herzen.«
»Ausgerechnet du erlaubst dir, ein Urteil über andere zu fällen! Ich bin kein ausgebrannter Wissenschaftler, der die letzten zehn Jahre seines Lebens mit Saufen vergeudet hat. Ich bin kein Trunkenbold, über den man sich auf den Fluren in der Universität lustig macht.«
Ich stieß das zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und traute meinen eigenen Ohren kaum. So hatte ich noch nie zu jemandem geredet, und ich schämte mich im selben Moment, als die Worte über meine Lippen gekommen waren. Sie schienen aber nicht den geringsten Einfluss auf den Professor zu haben.
»Ich wusste, dass du Mumm in den Knochen hast«, sagte er, »und du darfst mich beschimpfen, so viel du möchtest.«
»Geh«, sagte ich und öffnete die Tür.
»Valdemar, komm mit«, sagte der Professor unbeeindruckt. »Ich werde dir unterwegs alles beibringen. Du wirst es niemals bereuen.«
»Bitte tu mir den Gefallen, und geh.«
Der Professor blickte mich lange an, bevor er wieder das Wort ergriff.
»Es kann sein, dass wir die verschollenen Seiten finden«, sagte er schließlich. »Die Lücke im Codex Regius . Ich war schon hinter diesen Seiten her, bevor du überhaupt auf der Welt warst. Und nun stehe ich ganz kurz davor, sie zu finden. Du kannst mir helfen. Du warst daran beteiligt, diesen Seiten auf die Spur zu kommen, und ich biete dir die Möglichkeit, dabei zu sein, wenn sie gefunden werden.«
»Falls sie gefunden werden, meinst du wohl.«
Er nickte. »Ja, falls. Aber ich glaube, dass es so sein wird, Valdemar. Ich habe uns Papiere für die Einreise in die DDRausstellen lassen. Wir brauchen nicht lange. Findest du wirklich nicht, dass es den Aufwand wert ist?«
Ich sah ihn an. »Leben und Tod von wem?«, fragte ich.
»Von wem? Was meinst du
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