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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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gestanden hatte. Er hatte ausreichend Proviant dabei und genoss die Einsamkeit unter dem blauen isländischen Himmel.
    Außer der Schaufel hatte er auch einen kleinen Pickel dabei, mit dem er das Erdreich lockerte. Als er auf die entsprechende Tiefe hinuntergekommen war, hatte er ein Loch ausgehoben, das etwa der Größe eines Sargs entsprach. Er hatte auch seitwärts davon gegraben, aber nichts gefunden. Dann grub er mehr nach links in Richtung des früheren Hofs. Dabei kam er gut vorwärts, aber er unterbrach die Arbeit spät am Abend. Nach dem Abendbrot, das er in völliger Stille genoss, legte er sich zum Schlafen und verbrachte eine traumlose Nacht.
    Um die Mittagszeit des nächsten Tages stieß er auf ein Skelett, und als er es freigelegt hatte, sah er zu seinem großen Erstaunen, dass es mit dem Gesicht nach unten im Grab lag. Darunter sah er einen weiteren, völlig zahnlosen Totenschädel, der ihm zugewandt war.
    Der Lärm im Abteil war ohrenbetäubend, als der Zug rasselnd und quietschend auf dem Weg von Rostock nach Wismar in einen Tunnel hineinfuhr. Ich schreckte aus meinem Sitz hoch. Ich hatte andächtig der Erzählung des Professors gelauscht, der mir gegenübersaß und sich nichts anmerken ließ. Er unterbrach seinen Bericht undführte sich eine Prise Schnupftabak zu Gemüte. Ich schaute zum Fenster hinaus. Ich empfand es als angenehm, in diesen ratternden Eisenbahnschlangen durch die Gegend zu schaukeln und zu wissen, dass das Land vorbeisauste, auch wenn es in Strömen regnete. Die Waggons waren schäbig und stammten wohl aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.
    Wir waren quer durch Dänemark nach Nysted gefahren und hatten von da aus mit der Nachtfähre nach Rostock übergesetzt. Die Passkontrolle dort war überaus streng, und wir wurden genauestens darüber befragt, was wir vorhatten. Auf dem Weg dorthin hatte sich der Professor die ganze Zeit Sorgen gemacht, ob wir überhaupt ins Land gelassen würden. Als Grund für unsere Reise gab er an, dass wir im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Kopenhagen Einsicht in ein Breviarium nehmen wollten, das im Dom zu Schwerin aufbewahrt wurde. Er legte Papiere vor, von denen ich nicht wusste, woher er sie hatte, aber sie sahen sehr offiziell aus und bescheinigten die Erlaubnis, Forschungen in Schwerin durchzuführen. Nach einigem Hin und Her wurden wir ins Land gelassen. Wir gingen zum Rostocker Bahnhof, wo uns gesagt wurde, dass wir per Bahn bloß bis Wismar kämen. Die Gleise von dort nach Schwerin seien zerstört.
    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, weshalb ich dem Professor nach Deutschland gefolgt war. Irgendetwas an seiner Art faszinierte mich, trotz allem, was vorgefallen war. In ihm brannten ein erstaunlicher Tatendrang und eine unerschütterliche Zähigkeit, die ihn nie kapitulieren ließ. Zu dem Zeitpunkt kannte ich nur einen Bruchteil der Probleme, mit denen er zu kämpfen hatte, vor allem, was seine Stelle an der Universität betraf. Im Lichte dessen, was ich später erfuhr, als mir klar wurde, vor welch bodenlosem Abgrund er damals stand, konnte ich nicht anders, als seine Seelenruhezu bewundern und sein unermüdliches Bemühen, das, was geschehen war, wiedergutzumachen. Er trank zwar mehr als irgendjemand anderes aus meinem Bekanntenkreis, aber obwohl er trank und Unmengen an Schnupftabak konsumierte, war er geistig fast immer völlig präsent und konnte es, was Intelligenz und Scharfsinn betraf, mit Heerscharen von Antialkoholikern aufnehmen.
    Wenn es so etwas wie ein Verteidigungssystem des Körpers gibt, muss es auch ein Verteidigungssystem der Seele geben, das für den Menschen nicht weniger wichtig ist. Auf dieser Reise mit dem Professor spürte ich zum ersten Mal, dass seine cholerischen und manchmal unverschämten Anfälle, die so sehr zu seinem Wesen gehörten, eine Art von Abschirmung gegen Aufdringlichkeit und Indiskretion waren. Seiner Meinung nach gehörte es zu den schlimmsten Charaktereigenschaften der Isländer, dass sie ständig ihre Nasen in die Angelegenheiten von anderen steckten. Dieses verdammte ewige Herumschnüffeln in anderer Leute Privatangelegenheiten! Wenn es einem gelang, diese Mauer der Abwehr zu durchdringen, wenn man gegen Schmähungen und Spott, Verwünschungen und Flüche gewappnet war, kam ein anderer, sensiblerer Charakter zum Vorschein, der sich mir zuerst offenbart hatte, als der Professor im Vollrausch nach seiner Gitte rief. Bei seinem Besuch in meinem kleinen Zimmer in der Skt. Pedersstræde

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