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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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da ragten einzelne Bretter aus der trockenen Erde heraus. Er legte sie auf den Rand des Grabs. In dem Augenblick fiel ihm der Bauer ein, der spurlos von seinem Hof verschwunden war, und ihm wurde klar, dass er ihn hier im Grab eines anderen Toten gefunden hatte.
    Der Professor nahm noch eine Stärkung zu sich und legte sich gegen Mitternacht schlafen, hatte aber in der Nähe des offenen Grabes schlimme Träume. Es waren aber nicht Rósa oder der Bauer, die ihn im Traum heimsuchten, sondern seine Gitte, die ihm so abgehärmt erschien, wie sie zum Schluss ausgesehen hatte, mit Blutrinnsalen in den Mundwinkeln und solcher Qual in den Augen, dass er unter Angstschreien aufwachte. Er war nassgeschwitzt, zitterte am ganzen Leib und wollte sich unter keinen Umständen wieder schlafen legen. Nach dem anstrengenden Schaufeln verspürte er heftige Schmerzen im Bein. Er klagte nie über seine Behinderung, ganz im Gegenteil, er betrachtete sie als eine bittersüße Erinnerung an die allzu wenigen Stunden, die ihm mit Gitte vergönnt gewesen waren.
    Die ganze Zeit, während er sich zu Rósa hinunterschaufelte und die Skelette freilegte, dachte der Professor darüber nach, was er mit den Gebeinen und mit den Erkenntnissen, die er da gewonnen hatte, machen sollte. Er hatte nicht vor, länger als erforderlich an diesem Ort zu bleiben. In dem Grab hatte er sonst nichts gefunden, vor allem nichts, was einen Hinweis darauf geben konnte, was Rósa in das Leben nach dem Tod hatte mitnehmen wollen.
    Als er mitten in der Nacht erwachte, entschloss er sich, es dabei bewenden zu lassen. Er hielt es nicht für seine Aufgabe, einen alten Mord aufzuklären. Als er mit seinen Untersuchungen fertig war, schaufelte er die Erde wieder über Rósa und den Bauern und hinterließ die Grabstätte so ordentlich wie möglich. Er verbrachte keine weitere Nacht in dem Tal, sondern machte sich sofort wieder auf den Rückweg und gelangte zwei Tage später in das Dorf. Eine Woche später bestieg er sein Schiff, um nach Kopenhagen zurückzukehren.

Elf
    Der Tag war schon weit fortgeschritten, als wir endlich erschöpft von der Reise in Schwerin eintrafen. Nur wenige Menschen waren auf den Straßen, als wir aus dem Busbahnhof heraustraten, und die Stadt war in Nebel gehüllt. Der Professor schien genau zu wissen, wo wir hinmussten, und stürmte zielstrebig in Richtung Innenstadt. Ich kam wie immer nicht ganz so schnell mit.
    Mecklenburg-Schwerin war früher ein Großherzogtum an der Ostsee, doch als nach dem Zweiten Weltkrieg die Kommunisten die Macht im Osten Deutschlands übernahmen, teilten sie das Land in die Bezirke Schwerin, Rostock und Neubrandenburg auf. Die Hauptstadt war Schwerin mit seinem gotischen Dom aus dem 14. Jahrhundert, auf den der Professor so rasch zusteuerte, wie seine Behinderung es ihm gestattete. Ich hatte keine Zeit, mich in dieser alten Hauptstadt des Herzogtums umzusehen. Ich spürte, dass es dem Professor darum zu tun war, sein Vorhaben so schnell wie möglich durchzuführen und ebenso rasch wieder zu verschwinden.
    »Aber wieso hat Jörgensen überhaupt von dieser Rósa erfahren?«, fragte ich kurzatmig, als wir uns dem Dom näherten, wo der Professor Erkundigungen über die Grabstätte von Ronald D. Jörgensen einholen wollte.
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete der Professor. »Er hätte auf verschiedenen Wegen davon Kenntnis erhalten können, schließlich war er ja jemand, der viel in altenBüchern herumstöberte. Ich kann nur vermuten, dass er genau wie ich in irgendwelchen Dokumenten auf ihren Namen gestoßen ist und so auf sie aufmerksam wurde. Das werden wir wahrscheinlich nie herausbekommen, aber es spielt ja letztlich auch keine große Rolle. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass er das Runenblatt von Jón Sigurðsson gekannt oder davon gehört hat und dass ihm das weitergeholfen hat.«
    »Aber was hat sich diese Rósa dabei gedacht, die Seiten aus dem Buch zu entwenden?«
    »Möglicherweise hat sie es für Daði Halldórsson getan. Was Daði oder die beiden zusammen mit den Seiten vorhatten, ist mir völlig schleierhaft. Ich denke, dass wir das nie herausfinden werden.«
    »Rósa hat sich nicht davon trennen wollen.«
    »Nein, sie müssen wohl eine ganz besondere Bedeutung für sie gehabt haben, könnte ich mir vorstellen«, sagte der Professor. »Höchstwahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass die beiden ein Techtelmechtel miteinander hatten. Daði war bekanntlich ein Schürzenjäger. Möglicherweise hat Daði

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