Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
versuchte er, näher an die Flammen heranzukommen, aber die Hitze war zu stark. Und was noch schlimmer war, die Flammen breiteten sich aus und trennten ihn noch weiter von ihr. Jaryd begriff, dass dies die Absicht des Feuers war. Das hier war kein zufälliges Flackern: Diese Flammen schienen zielgerichtet zu handeln, wie ein Rudel Wölfe, das seine Beute verfolgt - sie wussten genau, wohin sie ihn treiben wollten. Jaryd gab nur widerwillig nach, weigerte sich zu fliehen, aber er hatte keine Chance. Er spürte, wie er in eine unbekannte Richtung getrieben wurde, und er konnte nichts tun, um sich zu widersetzen.
Die Flammen krochen noch lange Zeit vorwärts, sprangen von Baumstamm zu Baumstamm und fegten über das niedrige Gebüsch, das den Boden des Hains bedeckte, und die ganze Zeit zwangen sie Jaryd, sich weiter vor ihnen zurückzuziehen. Es gab keinen Rauch, aber Jaryd konnte die Hitze auf Gesicht und Brust spüren, als er weiter zurückwich. Hin und wieder rief er nach Alayna, aber er spürte, dass sie außer Hörweite war. Er hatte keine Ahnung mehr, wo er sich befand, er hatte die Orientierung vollkommen verloren. Endlich hörte es auf zu regnen, aber das Feuer drängte ihn weiter, bis er schließlich eine kleine Senke erreichte, die ein wenig offener war als der Rest des Hains. Hier hielten die Flammen inne und breiteten sich am Rand der Senke aus, bis Jaryd vollkommen eingekreist war.
Seine Verzweiflung und sein Zorn waren gewachsen, als die Flammen ihn weiter und weiter von Alayna weggetrieben hatten, aber als er nun in der Senke stand und darauf wartete, was Theron mit ihm vorhatte, spürte er, wie diese Empfindungen kalter Angst wichen. »Sehen wir, wie ihr eine Nacht als meine Gäste verkraften könnt«, hatte der Eulenmeister gesagt. Jaryd erschauderte.
»Jaryd«, erklang eine dünne Stimme hinter ihm, und sein Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus.
Jaryd fuhr herum und schnappte bei dem Anblick, der sich ihm bot, nach Luft. »Nein!«, hauchte er.
Ein kleiner Junge stand vor ihm. Sein Haar war lang und glatt wie das von Jaryd, und er hatte ein rundes Gesicht mit einer kleinen Stupsnase. Seine Augen waren jedoch vollkommen schwarz, und ein grünliches Schimmern hing an ihm wie der Geruch des Todes. Ishalla schrie verängstigt auf.
»Erinnerst du dich an mich?«, fragte der Junge, und seine Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. Jaryd nickte. Sein Mund war trocken, und er zitterte am ganzen Körper. Selbstverständlich erinnerte er sich. Das hier war der kleine Junge, der verschwunden war, kurz bevor Jaryd vor zwei Wintern seine erste Vision gehabt hatte. Und an dem Tag, als Jaryd vom Ertrinken in kaltem, wildem Wasser träumte, hatten sie die Leiche des Jungen im Fluss gefunden. »Du bist Arley«, brachte Jaryd mit Mühe hervor.
Der Junge lächelte geisterhaft. »Du erinnerst dich tatsächlich! Vielleicht erinnerst du dich dann ja auch an meinen Freund.«
Eine zweite Gestalt kam auf die Lichtung, schien aus den Flammen aufzutauchen. Es war ein großer, dünner, kahlköpfiger Mann mit einem buschigen Schnurrbart. Wie Arley schimmerte auch er in weichem Smaragdlicht, bis auf die Augen, die schwarz waren wie die Nacht. Iram, dachte Jaryd und überraschte sich selbst ein wenig mit seiner Gelassenheit und seinem klaren Denken. Ja, es war nur folgerichtig, dass auch er sich hier befand. Iram war Apotheker in Accalia gewesen, bis das Feuer, das Jaryd in seiner Vision vorhergesehen hatte, Irams Laden zerstört und ihn getötet hatte.
»Ja«, flüsterte Jaryd und schaute wieder den Jungen an. »An ihn erinnere ich mich auch.«
»Dich zu erinnern genügt nicht!«, sagte Iram barsch, und auch seine Stimme schien, wie die von Arley, aus weiter Feme zu kommen. »Du schuldest uns mehr als das!«
»Ich schulde euch mehr?«, wiederholte Jaryd. Er erschauderte und spürte, wie sich sein Magen zusammenkrampfte. »Das verstehe ich nicht.«
»Iram ist wütend, weil du uns nicht gerettet hast«, erklärte Arley, die schrecklichen schwarzen Augen weiter auf Jaryd gerichtet. »Du hast es gesehen, aber nichts unternommen.«
Jaryd schüttelte den Kopf, aber nun weinte er und konnte nicht mehr klar erkennen, was geschah. »Gesehen? Ihr meint die Träume?«
Arley trat einen Schritt vor, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Er sah so jung, so unschuldig aus. Aber seine Augen ... »Du hast gesehen, was mit uns geschehen wird, und du hast es dennoch geschehen lassen.«
Wieder schüttelte Jaryd den Kopf, unfähig zu
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