Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
»Aber ich dachte, Schüler dürften bei offiziellen Entscheidungen in der Versammlung nicht sprechen.«
»Normalerweise ist das so. Aber ich bin sicher, dass Jessamyn in diesem Fall eine Ausnahme machen wird. Ich möchte einfach, dass du darauf vorbereitet bist, deinen Traum noch einmal zu beschreiben. In Ordnung?«
Jaryd nickte widerstrebend.
»Glaubst du, Jessamyn wird es wagen, eine Delegation zu Therons Hain zu schicken?«, wollte Trahn von Baden wissen.
»Das hoffe ich«, flüsterte der Eulenmeister. »Ich hoffe es in Aricks Namen.«
Dann bestellten die drei noch eine Runde Bier, und danach noch zwei weitere, und sie unterhielten sich bis tief in die Nacht. Ihr Gespräch wandte sich bald von dem ernsten Thema Theron unterhaltsameren Geschichten zu, über frühere Versammlungen und die Abenteuer, die Baden und Trahn miteinander erlebt hatten. Im Laufe des Abends spürte Jaryd, wie der Alkohol ihn wie eine warme Decke umfing, und die Namen und Bilder, die seine Freunde mit ihren Geschichten heraufbeschworen, gingen immer mehr ineinander über und überließen ihn seinen eigenen umherschweifenden Gedanken. Einmal sah er sich im Schankraum nach Kayle um und entdeckte mit gewissem Bedauern, wie sie an einem anderen Tisch mit einem anderen Gast lachte. Er dachte an Gissa, eine seiner besten Freundinnen in Accalia und das einzige Mädchen, mit dem er je das Bett geteilt hatte. Und er erkannte mit einem leisen Lächeln, dass er Recht gehabt hatte: Kayle war nicht sein Typ.
Erst lange nach Mitternacht taumelten Baden und Jaryd nach oben in ihr kleines, dunkles Zimmer. Als Jaryd am nächsten Morgen erwachte, war der Eulenmeister bereits fertig angezogen, um seinen Platz in der Eröffnungsprozession der Versammlung einzunehmen, während sein Schüler sich nicht einmal erinnern konnte, wie es ihm gelungen sein mochte, sich die Stiefel auszuziehen und in das Bett zu steigen, in dem er nun lag. Nur die Willenskraft des Eulenmeisters brachte Jaryd aus dem Bett und dazu, sich zu waschen und anzuziehen. Trahn wartete im Hof des Adlerhorstes auf sie, und zusammen zogen die drei durch die Gassen und Straßen von Amarid zum Heim des Ersten Magiers, wo die Prozession beginnen sollte. Jaryd wurde immer wieder schwindlig, als sie durch die Stadt eilten, und als Baden fragte, ob sie zum Frühstück irgendwo Halt machen sollten, spürte der junge Mann, wie er grün im Gesicht wurde. Das Geräusch von Badens und Trahns Gelächter bei diesem Anblick schnitt schmerzlich durch Jaryds Kopf, und er schwor sich, dass er niemals wieder Amari-Bier trinken würde.
Als sie das Zuhause des Ersten Magiers erreichten, hatten offenbar die meisten anderen Magier bereits ihre Positionen in der Prozession eingenommen. Die Reihe der in ihre Umhänge gehüllten Magier zog sich wie ein waldgrüner Fluss am Haus entlang und durch die Baumgruppe aus vereinzelten Fichten und Zedern, die es umgaben. Als Jaryd und seine Begleiter an den älteren Eulenmeistern und Falkenmagiern vorbeikamen, nickten und lächelten Baden und Trahn ihren Kollegen zu und blieben hin und wieder stehen, um alte Freunde zu umarmen oder einen Gruß auszutauschen. Jaryd schwieg, aber er betrachtete bewundernd die Unzahl verschiedener Vögel, überwiegend Eulen, die er hier zum ersten Mal sah. Einige waren so klein, dass sie sich in den Falten eines Umhangs oder einer Kapuze verbergen konnten, und zuerst konnte Jaryd sie kaum entdecken. Andere waren größer als Anla, und eine, ein riesiger grauer, rundköpfiger Vogel mit eng zusammenstehenden gelben Augen, war sogar größer als die Eule, die Jaryd am Vortag auf Sartols Schulter gesehen hatte. Die meisten Falkenmagier befanden sich, weil sie jünger waren, weiter hinten in der Prozession. Aber Jaryd hoffte, die Gelegenheit zu erhalten, auch ihre Vögel einmal aus der Nähe zu sehen.
Amarids Heim, das Haus, an dem sich die Prozession aufstellte, war wie alle Gebäude in diesem alten Teil der Stadt aus grob behauenen Stämmen gezimmert und verwittert, weil es seit tausend Jahren den Elementen ausgesetzt gewesen war. Als Jaryd es betrachtete, dachte er, dass es das Zuhause eines jeden Bürgers von Tobyn-Ser hätte sein können, und er begriff, dass dies nur noch mehr dazu beitrug, den Ordensgründer zu einem so wichtigen Symbol zu machen. Trotz der Kristallstatuen und der großartigen Wandgemälde war Amarid der Sohn einfacher, schwer arbeitender Leute gewesen, eine Tatsache, die in glücklicheren Zeiten die Verbindung zwischen dem
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