Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
bei Versammlungen nie lautstark hervorgetan. Aber er und Jessamyn erhielten ihre Umhänge etwa zur selben Zeit, und sie waren schon als Kinder Freunde. Ich habe manchmal gehört, dass er ihr Ratschläge gab, aber meistens kümmert er sich einfach nur um sie und achtet darauf, dass sie sich nicht zu sehr anstrengt - das ist etwas, wozu Jessamyn bedauerlicherweise neigt.«
Die Prozession hatte die Große Halle erreicht und umkreiste nun das Gebäude wie zuvor Amarids Heim. Die Glocken in den Zwillingstürmen läuteten weiterhin laut, und der Klang hallte in den Straßen und Gassen der Stadt wider. »Und was passiert nach der Prozession?«, fragte Jaryd. »Wir betreten den Versammlungssaal und setzten uns an den Tisch, den du gestern gesehen hast«, erwiderte Baden. »Jessamyn wird uns willkommen heißen, ebenso wie alle anderen, die nach Amarid gereist sind, und dann wird sie offiziell die Versammlung eröffnen. Die Sitzung dieses Morgens wird öffentlich sein, und wir werden uns um ein paar formelle Angelegenheiten kümmern. Das könnte mehrere Stunden dauern.« Baden verzog unwillig das Gesicht. »Das ist der Teil der Versammlungen, den ich hasse. Ich weiß wirklich nicht, wie Jessamyn das jedes Jahr aushält.« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Jedenfalls wird dann am Nachmittag die erste Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, und dann werden wahrscheinlich die Diskussionen über die Angriffe auf Tobyn-Ser beginnen.«
Einige Zeit gingen sie schweigend weiter. Aber als sie den Eingang zur Halle erreichten, erinnerte sich Jaryd an die Frage, die ihm am vergangenen Abend eingefallen war, als er mit Baden und Trahn im Adlerhorst gesessen hatte. Und bewegt von einem Impuls, den er selbst nicht verstand, fragte er plötzlich: »Baden, was, wenn ihr euch irrt, du und Trahn?«
Der Eulenmeister sah sich um, aber niemand in der Prozession schien Jaryds Frage gehört zu haben. »Irren?«, wiederholte er leise. »Du meinst ... was den Verursacher der Angriffe angeht?«
»Ja«, sagte Jaryd nun ebenfalls viel leiser. »Was, wenn jemand anders dafür verantwortlich ist?«
Der Eulenmeister holte tief Luft und schwieg für scheinbar lange Zeit. Und seine Antwort, als er sie endlich gab, machte Jaryd ebenso viel Angst wie der Gedanke daran, Theron gegenüberzutreten: »Wenn wir uns irren, dann gibt es eine Verschwörung innerhalb des Ordens, und dann befinden sich in dieser Prozession mehrere Verräter.«
6
I mmer noch erschüttert von Badens Antwort, ging Jaryd die Marmorstufen hinauf und in den Versammlungssaal. Einige ältere Ordensmitglieder, darunter Jessamyn und Peredur, hatten sich bereits hinter ihre Stühle am anderen Ende des riesigen ovalen Tisches gestellt, was Jaryd zeigte, dass die strenge Ordnung der Prozession auch für die Anordnung der Sitzplätze in der Halle galt. Tatsächlich bewegte sich Baden rasch zu einem Stuhl rechts am Tisch, und dort fand Jaryd auch einen Hocker, der offensichtlich für ihn gedacht war und dem die gebogene Sitzstange fehlte, über die die anderen Stühle verfügten. Er folgte Badens Beispiel, blieb schweigend bei seinem Stuhl stehen und beobachtete, wie die anderen Ordensmitglieder hereinkamen. Er wünschte sich nur, sein Kopf würde aufhören sich zu drehen. Nachdem alle Magier ihre Plätze rund um den Tisch eingenommen hatten, betraten Zuschauer aus der Menschenmenge, die an der Straße gestanden hatte, den Saal und stellten sich in den offenen Bereich nahe den großartigen Holztoren. Das dauerte einige Zeit, und währenddessen blieben die Magier ruhig stehen.
Als sich endlich alle, die hineinpassten, in die Halle gedrängt hatten, hörten die Glocken auf zu läuten - ein Segen, dachte Jaryd, dem ohnehin der Kopf dröhnte -, und das Schweigen der Magier breitete sich auch unter den Besuchern aus. Langsam hob Jessamyn ihren Stab mit dem schimmernden wasserblauen Stein über ihren Kopf. »Im Namen Amarids, des Ersten Magiers und Gründers dieses Ordens«, erklärte sie mit klarer, wohltönender Stimme, »heiße ich euch willkommen und erkläre diese Versammlung für eröffnet!«
Wie aufs Stichwort erhoben auch alle anderen Magier ihre Cerylle. Licht schoss aus den Kristallen und schuf einen Regenbogen aus Farben, der sich auf den Ceryll der Eulenweisen zubewegte, wo er das strahlende weiße Licht verstärkte, das aus Jessamyns Kristall hervorbrach. Die Zuschauer am anderen Ende des Saals jubelten laut, und als der Beifall verklungen war, sagte Jessamyn
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