Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
»solltest du wissen, dass Jaryd meine Theorie über die Vorgänge in Tobyn-Ser bereits kennt.«
Trahn zog eine Braue hoch. »Dann sollte ich sie vielleicht auch erfahren.«
Der Eulenmeister senkte die Stimme zu einem Flüstern, und er sah sich vorher um, um sich zu überzeugen, dass sie niemand belauschen konnte. »Ich glaube, all diese Angriffe sind Therons Werk - seines und das der anderen unbehausten Magier. Ich bin nicht sicher, wie es geschieht; vielleicht haben sie eine Möglichkeit gefunden, den Fluch auf eine Weise zu verändern, die ihren Geistern nun erlaubt, die Orte ihrer ersten Bindung zu verlassen. Und ich weiß auch nicht, ob die Unbehausten sich Theron freiwillig angeschlossen haben oder ob er sie durch seine Macht oder Heimtücke gezwungen hat. Ich habe mich gefragt, warum er das tut, aber vielleicht habt ihr beiden ja die Antwort auf diese Frage gefunden. Ich bin allerdings überzeugt, dass Theron dahinter steckt; ich kann keine andere Erklärung finden.«
Einen Augenblick lang sagte Trahn nichts und starrte nur unergründlich geradeaus. Dann seufzte er tief. »Ich bin, wenn auch widerstrebend, zu einem ähnlichen Schluss gelangt. Ich wüsste sonst niemanden, der gleichzeitig den Orden derart verachtet und die Macht hat, so viele Angriffe an so vielen unterschiedlichen Stellen des Landes zu führen.« Er sah nun Jaryd an, und der junge Mann bemerkte den Schmerz in seinem Blick. »Es erfüllt mich mit tiefer Trauer, nicht nur wegen der getöteten Menschen, sondern auch, weil ich ebenso bedrückt darüber bin wie du, was aus dem Andenken an Theron geworden ist. Wir hätten diesen Kummer vermeiden können, wenn es uns gelungen wäre, einen Platz für Theron in der Geschichte des Ordens zu finden.«
»Was können wir jetzt noch tun?«, fragte Jaryd und versuchte vergeblich, einen zuversichtlichen Eindruck zu machen.
Keiner der beiden älteren Männer antwortete, und ihr Schweigen erschreckte Jaryd mehr als alles, was bisher gesagt worden war. Schließlich ergriff Trahn wieder das Wort. »Ich denke, wir sollten zu Therons Hain gehen und seinen Geist darum bitten, diesen Angriffen ein Ende zu machen.«
»Ich bin der gleichen Ansicht«, erklärte Baden, »aber du begreifst sicher, wofür du dich da aussprichst.«
»Ja«, erwiderte Trahn.
Wieder wechselten die beiden Magier einen Blick, und diesmal ließ diese Geste Jaryd beinahe das Blut gefrieren. »Ich nicht«, rief er. »Ich verstehe es überhaupt nicht.«
Nach langem Schweigen sah Trahn Baden an, ein spöttisches Lächeln um die Mundwinkel. »Das ist jetzt deine Sache.«
Baden schaute den Falkenmagier noch einen Moment länger an, dann nickte er und wandte sich Jaryd zu. »An diesem letzten Abend in den Bergen«, begann er leise, »als ich dir die Geschichte von Theron und Amarid erzählte, habe ich ein paar Dinge ausgelassen. Ich sagte, dass Therons Geist ohne einen Ceryll erscheint, aber diese Feststellung beruht nur auf dem, was ich von seiner letzten Nacht weiß. Wir wissen nicht, wie Therons Geist aussieht, denn in den tausend Jahren seit seinem Tod ist keiner, der Therons Hain betreten hat, je wiedergekehrt.«
Jaryds Mund wurde trocken, und er fühlte sich, als hätte Theron selbst die Hand aus dem Grab gereckt und ihm einen eisigen Finger aufs Herz gelegt. »Wie kann das sein?«, fragte er schließlich, und es klang wie ein Krächzen. »Meinst du, wie sind sie gestorben? Das weiß ich nicht. Wie ich dir gestern Abend schon sagte, Therons Macht war gewaltig. Wir wissen wenig darüber. Und, wie du dir sicher denken kannst, seit hunderten von Jahren hat es niemand gewagt, den Hain zu betreten. Aber kurz nach der Verhandlung gegen Theron haben sich die Menschen von Rholde, Therons Heimatort, an den Orden gewandt und gebeten, sie vor dem Geist des Eulenmeisters zu schützen, der sie seit seinem Tod ständig terrorisierte. Amarid hat eine Gruppe von Magiern zum Hain geschickt, in der Hoffnung, dass sie eine Möglichkeit finden könnten, den Geist entweder zu beruhigen oder zu besiegen. Einige Bewohner des Städtchens folgten den Magiern zum Hain und sahen, wie sie ihn betraten. In den folgenden Stunden hörten sie Schreie des Entsetzens und der Verzweiflung und sahen grünliches Licht im Hain. Aber nie sahen sie einen der Magier wieder. Theron quälte Rholde weiter, und wieder wandten sich die Dorfbewohner an den Orden um Schutz, aber Amarid weigerte sich, das Leben weiterer Magier aufs Spiel zu setzen. Einige in Rholde verlangten, der
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