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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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warum
nicht gleich alle Karten auf den Tisch? »Sind Sie verheiratet? Haben Sie einen
Freund? Hat Ihre Tochter einen Vater?«
    Die Chinesin lächelte streng
und wandte den Blick ab. »Ach so«, sagte sie. Dann sah sie mich wieder an. »Ja,
Mr Sim, ich bin verheiratet. Glücklich verheiratet, wie man so schön sagt.«
    »Ähm. Okay.« Plötzlich hatte
ich das Gefühl, an einem Abgrund der Enttäuschung zu stehen, und ich wollte
nichts anderes, als mich in ihn hineinstürzen. »Wenn das so ist«, sagte ich,
»dann gehe ich jetzt besser. Es tut mir sehr leid, wenn ich ... Ihnen in
irgendeiner Weise zu nahe getreten bin. Es war überaus -«
    »Bitte«, sagte die Chinesin.
»Gehen Sie noch nicht. Sie sind mir nicht zu nahe getreten. Sie haben mir sehr
geholfen. Und was Sie getan haben, ist - na ja, immerhin nicht ganz unromantisch.
Wenn Sie schon den weiten Weg hier heraus an diesen Strand gekommen sind, um
mich zu treffen, sollte ich Ihnen wenigstens noch etwas anbieten. Wie wär's mit
einer Tasse Tee?«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber -«
    »Bitte, Maxwell. Ich darf Maxwell sagen?«
    »Natürlich.«
    Sie setzte sich auf die Decke
und forderte mich auf, mich neben sie zu setzen: Ich folgte der Aufforderung
nicht ganz ohne Scheu.
    »Mein Name ist Lian. Meine
Tochter heißt Yanmei. Den Namen ihrer Schulfreundin kennen Sie bereits. Nehmen
Sie Zitrone in den Tee? Milch habe ich leider nicht dabei.«
    »Ich trinke ihn ... wie er ist. Bitte keine Umstände.«
    Lian schenkte schwarzen Tee in
zwei Plastikbecher und reichte mir einen davon. Ich dankte ihr, und wir tranken
einen Augenblick schweigend. Dann sagte ich: »Ich würde Ihnen gerne etwas
erklären -«
    »Bitte.«
    »Tatsache ist, dass es einen
großen Eindruck auf mich gemacht hat, als ich Sie und Yanmei vor zwei Monaten
in diesem Restaurant beim Abendessen gesehen habe.«
    »Tatsächlich? In welcher Hinsicht?«
    »Ich hatte noch nie so etwas
gesehen, etwas wie ... diese Nähe zwischen Ihnen beiden. Ich habe diese
Vertrautheit gesehen und gefühlt, wie sehr sie meinem Leben fehlt, und ich
fing an zu hoffen - zu träumen, besser gesagt -, dass ich Anteil daran haben
könnte.«
    Wieder zeigte Lian ihr
strenges und irgendwie hinreißendes Lächeln. Sie blickte in ihren Teebecher und
sagte: »Ja, diese Abendessen haben eine große Bedeutung für uns. Wir sind jeden
zweiten Samstag im Monat dort. Mein Mann, Peter, muss ein Mal im Monat nach
Dubai fliegen, und weil dort die Arbeitswoche am Sonntagmorgen beginnt, fliegt
er am Abend vorher um zehn nach neun von Sydney ab. Yanmei und ich bringen ihn
zum Flughafen, und danach ist sie immer ein bisschen bedrückt. Sie liebt ihren
Vater heiß und innig und vermisst ihn sehr, wenn er nicht da ist. Um ihr die
Trennung zu erleichtern, gehe ich mit ihr in dieses Restaurant. Zwölf Mal im
Jahr, verlässlich, im Sommer und im Winter. Kinder brauchen Strukturen, etwas,
auf das sie sich verlassen können. Erwachsene eigentlich auch. Das Abendessen
in diesem Restaurant ist eine der Konstanten in unserem Leben.«
    »Ich mag es besonders gern«,
begann ich, und hatte auf einmal das Gefühl, dass ich nichts mehr zu verlieren
hatte und frei von der Leber sprechen konnte, »wie Sie miteinander Karten
spielen. Als gäbe es keine Welt mehr um Sie herum. Und Yan-mei ist wie eine
Miniaturausgabe von Ihnen.« Ich warf einen Blick zu ihr hinüber, sah sie auf
dem Rand des Pools kauern und Mut zu einem Kopfsprung sammeln. »Sie hört sich
an wie Sie, sie bewegt sich wie Sie, sie ist Ihnen wie aus dem Gesicht
geschnitten.«
    »Tatsächlich?«, sagte Lian.
»Sie sehen eine physische Ähnlichkeit?«
    »Natürlich.«
    »Dazu müssen Sie wissen«,
sagte sie, »dass Yanmei nicht meine leibliche Tochter ist.«
    »Nein?«
    »Nein. Peter und ich haben sie
vor drei Jahren adoptiert. Wir haben nicht einmal dieselbe Nationalität. Ich
stamme aus Hongkong. Yanmei aus China - aus einer Stadt namens Shenyang in der
Provinz Liaoning. Vielleicht besteht unsere Ähnlichkeit nur in ihrem Kopf.
Vielleicht wollten Sie uns so sehen.«
    »Möglich«, sagte ich, trank
einen Schluck Tee und schaute hinaus auf die Bucht. Diese Information hatte
mich aus dem Konzept gebracht. Das Wissen, dass Lian und Yanmei nicht
blutsverwandt waren, warf alle meine Fantasien über den Haufen. »Sie haben
also gar keine eigenen Kinder?«
    »Nein. Und das war lange Zeit
der große Kummer in unserem Leben. Aber jetzt haben wir Yanmei, und ...«
    »War sie ein Waisenkind?«
    »Ja. Vor

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