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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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diskutierten, Erfahrungen austauschten und Lösungen anboten. Der
Ausschlag war gekommen und wieder gegangen, aber offensichtlich wurden auf
Mumsnet auch alle möglichen anderen Probleme diskutiert, denn schon bald
verbrachte Caroline den halben Tag auf dieser Website. Ich erinnere mich, dass
sie mir eines Tages auf meine sarkastische Frage, wie viele Stunden pro Tag man
damit zubringen könne, sich online über MMR-Injektionen und Milchpumpen auszutauschen,
eröffnete, dass sie zur Zeit Beiträge zu Threads über Bücher und Politik und
Musik und Ökonomie und alle möglichen anderen Dinge schrieb und schon viele
Freunde im Netz gefunden hatte. »Wie kannst du mit jemandem befreundet sein,
den du noch nie gesehen hast?«, fragte ich sie, worauf sie mir zu verstehen
gab, dass meine Sichtweise eine äußerst altmodische sei und ich mich, sollte
ich mich im einundzwanzigsten Jahrhundert zurechtfinden wollen, über die
Evolution des Konzepts der Freundschaft im Licht neuer Technologien auf dem
Laufenden halten müsse. Ich gestehe, dass ich darauf keine Antwort wusste.
    Na gut, vielleicht hatte
Caroline nicht ganz unrecht. Ich meine damit, dass ich verstehen kann, warum
sie online gehen musste, um solche Freundinnen finden und solche Diskussionen
führen zu können. Zu Hause wäre das kaum möglich gewesen. Sie hatte versucht,
sich mit anderen Müttern in Lucys Schule anzufreunden, einmal hatte sie sogar
versucht, in der Stadt einen Autorinnenkreis zu gründen, alles ohne wirklichen
Erfolg. Wenn ich es mir recht überlege, dürfte sie ganz schön allein gewesen
sein. Ich hatte immer gehofft, dass sie in Trevors Frau Janice eine Freundin
finden würde, aber solche Dinge lassen sich wohl nicht erzwingen. Es wäre schön
gewesen, wenn wir zu viert etwas unternommen hätten, aber Caroline hatte der
Gedanke nicht begeistert. Und ich war auch keine Hilfe, um ehrlich zu sein. Es
war mir klar, dass ich nicht in Carolines Liga spielte, intellektuell gesehen.
Zum Beispiel habe ich nicht annähernd so viele Bücher gelesen wie sie. Sie war
ständig am Lesen. Man darf das nicht falsch verstehen - ich mag Bücher wie die
meisten Menschen. Wenn man im Urlaub am Pool in der Sonne brät, gibt es nichts
Schöneres, als die Nase in ein Buch zu stecken. Aber bei Caroline steckte viel
mehr dahinter. Das Lesen war für sie zu einer Art Obsession geworden. Im
Normalfall las sie zwei bis drei Bücher pro Woche. Meistens Romane. »Literarische«
oder »anspruchsvolle« Belletristik nennt man das wohl. »Lesen die sich nicht
irgendwann mal alle gleich?«, hab ich sie gefragt. »Ich meine, vermischen die
sich nicht alle zu einem.« Ich wisse nicht, worüber ich rede, erklärte sie mir.
»Du gehörst zu den Menschen, die um nichts in der Welt ihr Leben wegen eines
Buchs ändern würden.«
    »Warum sollte ich mein Leben
wegen eines Buchs ändern?«, erwiderte ich. »Reale Dinge verändern das Leben.
Eine Heirat, die Geburt eines Kindes.«
    »Ich spreche vom Erreichen
neuer Horizonte«, sagte sie. »Der Erweiterung des Bewusstseins.« Aber da kamen
wir einfach nicht auf einen Nenner. Ein-, zweimal hab ich versucht, mir etwas
mehr Mühe zu geben, aber ich habe nie richtig kapiert, worauf sie
hinauswollte. Ich bat sie, mir ein paar Bücher zu nennen, die vielleicht mein
Leben verändern konnten. Sie empfahl mir, es mit zeitgenössischer
amerikanischer Literatur zu versuchen. »Besorg dir mal einen von den
Rabbit-Romanen«, sagte sie, und als ich ein paar Stunden später aus dem
Buchladen zurückkam und ihr zeigte, was ich gekauft hatte, sagte sie: »Willst du
mich verarschen, oder was?« Es war Unten am Fluss von Richard Adams.
    (Ein verflucht gutes Buch,
wenn man mich fragt. Mein Leben hat es allerdings nicht verändert.)
    Aber ich schreibe gerade um
den heißen Brei herum, um diese wirklich peinliche Geschichte nicht erzählen zu
müssen, die so begann: Nach unserer Trennung - Lucy und Caroline lebten schon
oben in Cumbria - registrierte ich mich bei Mumsnet. Als Username dachte ich
mir »SouthCoastLizzie« aus und gab vor, eine alleinerziehende Mutter aus
Brighton zu sein, die ihr eigenes kleines Geschäft betrieb, kleine Schmuckstücke
und dergleichen anfertigte. Natürlich kannte ich Carolines Usernamen und suchte
mir die Threads heraus, in denen sie sich an der Diskussion beteiligte. Nach
und nach machte ich es mir zum Prinzip, auf jeden ihrer Posts möglichst als
Erster zu antworten, schloss mich ihrer Argumentation an, fügte manchmal der
Form

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