Coe, Jonathan
halber die eine oder andere Variante oder Korrektur hinzu, war aber in
der Regel einer Meinung mit ihr. Das war manchmal schwierig, besonders wenn es
in dem Thread (was nicht selten der Fall war) um ein bestimmtes Buch oder einen
Schriftsteller ging. In solchen Fällen versuchte ich mich mit Gemeinplätzen
durchzumogeln. Nachdem ich das ein paar Wochen lang so praktiziert hatte und
sicher sein konnte, Caroline die Existenz von SouthCoastLizzie zu Bewusstsein
gebracht, sie vielleicht sogar neugierig auf sie gemacht zu haben, schrieb ich
ihr in einer persönlichen Nachricht, mein richtiger Name sei Liz Hammond, ihre
Posts würden mir sehr gut gefallen, ich wäre davon überzeugt, dass wir viele
gemeinsame Interessen hätten, und ob sie nicht Lust hätte, sich mit mir in Form
von E-Mails etwas direkter auszutauschen? Ich war mir nicht sicher, ob sie
antworten würde, aber sie tat es, und als ich sie las, staunte ich nicht
schlecht.
Caroline und ich waren
ungefähr vierzehn Jahre zusammen. Ich kann in aller Aufrichtigkeit sagen, dass
sie mir nie, nicht ein einziges Mal auch nur mit annähernd so viel Zuneigung im
Ton etwas geschrieben - oder zu mir gesagt - hat wie dieser »Liz Hammond« in
ihrer ersten E-Mail. Ich will sie hier nicht zitieren - auch wenn ich große
Teile davon auswendig kann -, aber ich schwöre, dass niemand die Wärme, die
Freundlichkeit, die Liebe, die sie in diese an eine vollkommen Fremde gerichteten
Worte gelegt hat, für möglich halten würde - an eine vollkommen Fremde, die nicht einmal wirklich
existierte, um
Himmels willen! Warum hatte sie mir nie so geschrieben - nie so mit mir
gesprochen? Ich war so schockiert, und so ... verletzt, dass ich ihr ein paar Tage
lang nicht antworten konnte. Ich darf nicht verschweigen, dass ich mich ein
bisschen fürchtete, als ich mich schließlich doch aufraffte. Zweifellos würde
ich eine neue Seite an Caroline kennenlernen, wenn ich die Korrespondenz
fortsetzte - eine Seite, die während unserer Ehe nie zum Vorschein kommen
durfte. Daran würde ich mich gewöhnen müssen. Trotzdem beschloss ich, nichts
zu überstürzen. Wenn Caroline und die nicht existierende Liz Hammond sich zu
schnell zu nahekamen, würde die ganze Geschichte bald furchtbar kompliziert
werden. Ich wollte nicht zu ihrer besten Freundin oder so etwas werden, ich
wollte einfach auf dem Laufenden bleiben, die Alltagsdinge erfahren, die ich in
meiner Rolle als ihr Exehemann nicht erfuhr. Und so kam es dann auch mehr oder
weniger. Ich lernte, die Eifersucht zu ignorieren, die ich bei jeder von
Carolines E-Mails empfand - das Gefühl, dass ich, der Mann, mit dem sie zwölf
Jahre lang verheiratet gewesen war, ihr die ganze Zeit über fremd geblieben war
-, und konzentrierte mich stattdessen auf die Häppchen, die ich auf diese Weise
erfuhr: die Tatsache, dass Lucy Klarinettenunterricht nahm, dass sie gute
Noten in Geografie nach Hause brachte und ähnliche Dinge. Im Gegenzug fütterte
ich Caroline mit Informationen über mein fiktives Ich, und halb bedauerte ich
schon, die Geschichte überhaupt angefangen zu haben. Ein paar Mal tauschten wir
Fotografien, und als Gegenleistung für das Bild, das sie und Lucy vor ihrem
Weihnachtsbaum zeigte (das ich übrigens einrahmte und mir auf den Kaminsims
stellte), lud ich mir irgendeine Fotografie von Kindern fremder Menschen aus
dem Internet herunter und gab sie Caroline gegenüber als meinen Sohn und meine
Tochter aus. Es gab für sie nicht den geringsten Grund, mir nicht zu glauben.
Das alles klingt ganz schön
traurig, oder? Aber - um fair zu mir selbst zu sein - ich tat es immer nur
dann, wenn ich besonders verzweifelt war, und das war ich an diesem Abend.
Poppy kennengelernt und die Verbindung zu ihr gleich wieder verloren zu haben,
Sydney gegen Watford eingetauscht und die Erfahrung gemacht zu haben, dass ich
meinem Vater nicht einen Schritt nähergekommen war, dabei gewesen zu sein, wie
der arme Charlie Hayward gestorben war - alle diese Dinge hatten mich aus der
Fassung gebracht, dafür gesorgt, dass ich mich im Jetlag dieses Abends so
miserabel fühlte wie selten zuvor. Ich lechzte wieder nach Kontakt mit
jemandem, und dieser Jemand konnte nur Caroline sein, und ich brauchte mehr als
die übliche Schnellabfertigung, die mir zuteil geworden wäre, wenn ich
angerufen und mich nach ihrem Befinden erkundigt hätte.
Immerhin hielt ich die E-Mail
relativ knapp. Ich entschuldigte mich für mein dreiwöchiges Schweigen und
behauptete, mein Computer
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