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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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ist unserer Meinung nach der absolute Hammer. So eine hat niemand außer
uns.«
    Er zog eine dritte Zahnbürste
aus seiner Jacke, das bisher seltsamste Modell. Ja, sie war auch aus Holz, aber
der Kopf - der abnehmbar zu sein schien - trug eine ungewöhnlich lange,
schmale, synthetische Bürste und war flexibel, wenn man an ihm drehte. Ein
Gerät von erhabener Schönheit.
    »Ich sehe dich beeindruckt«,
sagte Trevor mit zufriedenem Lächeln. »Jetzt lass ich dich ein paar Minuten mit
deinen Gedanken allein. Noch mal dasselbe für euch beide?«
    Während Trevor an der Bar
stand, kamen Lindsay und ich zu der unausgesprochenen Übereinkunft, nicht über
Zahnbürsten zu sprechen. Aber da wir leider nichts voneinander wussten, war es
nicht leicht, ein anderes Thema zu finden. Normalerweise hätte eine solche
Situation mich verlegen gemacht, aber heute war ich viel zu guter Stimmung, um
mich dadurch verwirren zu lassen. Meine Gedanken waren nämlich bei Poppy, die
am Nachmittag wieder Kontakt zu mir aufgenommen hatte. Mein Handy war schon
ersetzt worden - nicht einmal die Nummer hatte sich geändert -, deshalb hatte
Poppy mich heute anrufen und einladen können: für Freitagabend, an keinen
geringeren Ort als in das Haus ihrer Mutter, zu einem Abendessen, bei dem ich
Gelegenheit erhalten würde (neben anderen Leuten, vermutete ich), den berühmten
Onkel Clive kennenzulernen. Seitdem erschien die Welt mir wieder ein bisschen
freundlicher, hoffnungsvoller - und deshalb konnte ich Lindsay jetzt mit einem
Lächeln anschauen, das (hoffte ich) nach aufrichtiger Wärme aussah. Sie war
Ende dreißig, schätzte ich, und trug das platinblonde Haar zu einem Zwanziger
Jahre-Pagenkopf geschnitten. Inzwischen hatte sie ihre geschäftsmäßige graue
Nadelstreifen-Kostümjacke ausgezogen, unter der ein weißes, ärmelloses
Oberteil zum Vorschein gekommen war, das ihre blassen schlanken Arme
entblößte. Ich fragte mich, was Trevor ihr alles über mich erzählt haben
mochte: über unsere lange Freundschaft, die gemeinsamen Jahre in Watford, und
was ich doch für ein netter, aufrechter, verlässlicher, geselliger Kerl war.
Solche Dinge.
    »Trevor hat erzählt, dass Sie
unter depressiven Schüben gelitten haben«, sagte sie und trank den Rest ihres
Gin Tonic aus.
    »Ach, hat er das erwähnt? Äh,
ja - das ist richtig. Ich musste ein paar Monate mit der Arbeit aussetzen.«
    »Das hab ich gehört. Ich muss
sagen, ich bin überrascht. Sie sehen mir nicht übermäßig deprimiert aus.«
    Das war immerhin gut zu hören.
»Ich glaube, ich habe das Schlimmste hinter mir. Tatsächlich gehe ich Freitag
wieder zur Arbeit, um mit der Dame vom Arbeitsschutz zu reden. Sie wollen
wissen, ob ich wiederkomme oder ob sie mich, verstehen Sie ... freistellen
können.«
    Lindsay nahm den Zitronenschnitz
aus ihrem Glas und biss hinein. »Und ...?«
    »Und was?«
    »Gehen Sie zurück?«
    »Ich weiß es noch nicht«,
sagte ich wahrheitsgemäß. Dann: »Eigentlich will ich nicht. Ich hab Lust, etwas
Neues zu machen, etwas ganz anderes. Aber vielleicht ist jetzt gerade nicht der
rechte Moment dafür, oder? So, wie es derzeit auf dem Arbeitsmarkt aussieht.«
    »Wer weiß«, sagte Lindsay,
»vielleicht stolpern Sie ja über etwas.«
    »Ich glaube nicht an Wunder.«
    »Ich auch nicht. Aber manchmal
hat man einfach Glück.« Sie biss das Fruchtfleisch aus der anderen Hälfte des
Zitronenschnitzes heraus und legte die Schale zurück ins Glas. »Hatte Trevor
Ihnen nicht erzählt, dass ich heute auch mit dabei bin?«
    »Nein. Aber ich hätte mir
denken können, dass etwas im Busch ist, als wir uns hier verabredet haben.
Normalerweise treffen wir uns im Pub.«
    Ich war froh, dass wir uns
nicht in einem Pub verabredet hatten. Hier war es viel angenehmer. Wir saßen in
der Bar des Park Inn Hotels, die Sessel waren weich und tief, die Einrichtung
beruhigend, nur wenige Gäste saßen herum, und aus den Lautsprechern der
Audioanlage sickerte jazzige Musik an der Grenze zur Hörbarkeit. Es war ein
charakterloser Ort, auf eine gute Weise unpersönlich, wenn ihr versteht, was
ich meine.
    »Wieso
glauben Sie, dass etwas im Busch ist?«, fragte Lindsay. »Ich weiß nicht,
vielleicht täusche ich mich«, sagte ich, »aber irgendwie habe ich gerade das
Gefühl, dass das hier auf etwas ganz Bestimmtes hinauslaufen soll, aber ich
weiß nicht, worauf.«
    »Worauf es hinausläuft«, sagte
Lindsay, wobei sie sich etwas vorbeugte und die Stimme beinahe zu einem
Flüstern senkte, »liegt

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