Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
Vom Netzwerk:
gerade mal bis Birmingham geschafft hatte. »Was soll's«,
sagte er, bevor die Verbindung endgültig verloren ging, »Hauptsache, du hast
deinen Spaß.«
    Ich war nicht ganz sicher,
dass ich meinen Spaß hatte. Es war fast halb neun, als ich das Restaurant
verließ, und ich suchte mir einen stillen Platz am Ufer eines der Kanäle, um
Lindsay anzurufen - der Spaß, den ich mir seit ein paar Stunden in Aussicht
stellte. Sie meldete sich nicht. Ich hinterließ eine Nachricht, aber vielleicht
bekam sie die nicht, denn ich hörte an dem Abend nichts mehr von ihr.
    Natürlich hätte ich auf der
Stelle nach Lichfield fahren, die Nacht in der Wohnung meines Vaters verbringen
und Guest Zahnbürsten eine Hotelübernachtung ersparen können. Aber ich hatte so
eine Vorahnung, dass ein Besuch in der Wohnung meines Vaters nicht unbedingt
ein Vergnügen zu werden versprach. Ich zog es vor, sie mir bei Tageslicht
anzusehen. Also blieb mir nicht viel anderes übrig, als zurück in das Quality
Hotel Premier Inn zu fahren, mich vor den Fernseher zu setzen oder mir (auf dem
Laptop) die DVD von Deep Water anzusehen, die Clive mir mitgegeben hatte.
    Ich muss sagen, dass Emma und
ich uns auf dem Weg dorthin wunderbar verstanden. Besonders, als wir uns dem
Kreisverkehr am Holloway Circus näherten und ich auf den lustigen Gedanken
kam, sie zu verwirren, indem ich ein paar Runden im Kreis fuhr. War das ein
Spaß! »Biegen
Sie links ab«, sagte sie immer wieder. »Biegen Sie links ab. Biegen Sie links ab.« Mit immer kürzeren Pausen
dazwischen, während ich schon in einem Affenzahn die nächste Runde drehte. Ich
schaffte es nicht, sie zu einem Wechsel des Tonfalls zu bewegen. Egal, wie
schnell ich fuhr, wie viele Runden ich drehte, sie verlor die Ruhe nicht. Nach der
fünften oder sechsten Runde sah ich einen Polizeiwagen, der aus Richtung des
Bahnhofs New Street den Smallbrook Queensway heraufkam. Ich bog hastig in die
Ausfahrt Five Ways und fuhr mit gemäßigten fünfundvierzig Stundenkilometern
zurück zu meinem Hotel.
    Nachdem ich den Wagen
abgestellt hatte, schaute ich noch in den Kofferraum, weil ich bei meinen
Runden im Holloway Circus ein seltsames Geräusch von da hinten gehört zu haben
glaubte. Natürlich war Alisons Karton bei meiner verrückten Fahrerei im Kreisverkehr
hin und her gerutscht, und die Papiere, die oben über den Rand geschaut hatten,
lagen jetzt überall auf der Ladefläche verteilt. Da der Wind mächtig
aufgefrischt hatte, wurden ein paar von ihnen beim Öffnen der Heckklappe
herausgeweht und flatterten auf dem Parkplatz herum. Während ich laut fluchend
hin und her lief, um sie wieder einzufangen, wehte die nächste Bö noch einen
Schwung aus dem Kofferraum heraus. Ich knallte die Heckklappe zu und schaffte
es schließlich unter großen Anstrengungen und mit der Hilfe eines nicht wenig
amüsierten Passanten, sie alle wieder einzusammeln. Ich knüllte sie zu einem
Bündel zusammen, drückte sie fest gegen meine Brust, kletterte hinten in den
Wagen, wo ich versuchte, sie glattzustreichen und in irgendeine Ordnung zu
bringen. Ich war außer Atem und seltsam verstört durch die Episode. Alte
Seminararbeiten waren sicher nichts Wichtiges, aber man hatte mich nun mal mit
der Aufgabe betraut, sie ihrer Eigentümerin zurückzubringen, und ich wollte sie
ordentlich erledigen.
    Den Gedanken verlor ich
schnell wieder aus dem Sinn, als ich einen Blick auf das oberste Blatt Papier
warf, das ich gerade auf dem Rücksitz des Autos ausgelegt hatte. Was meint ihr,
welches Wort mir als erstes ins Auge fiel?
    Der Name »Max«.
    Und nicht nur einmal. Der Name
»Max« tauchte allein auf dieser Seite vier oder fünf Mal auf.
    Da war ich wohl mitten in eine
Art Aufsatz geraten. Ich machte mich in dem willkürlich zusammengerafften
Stapel Papiere auf meinem Schoß auf die Suche nach anderen Blättern, die zum
selben Aufsatz gehörten. Die meisten lagen noch zusammen, in der richtigen
Reihenfolge, aber es fehlten einige. Ich fand ein Blatt mit der Seitenzahl 18,
das offensichtlich die letzte Seite des Aufsatzes darstellte. Dann fand ich die
erste Seite mit der Überschrift »VERLETZUNG DER INTIMSPHÄRE - Alison Byrne, 22. Februar
1980«.
    Verletzung der Intimsphäre? Was hatte das zu bedeuten? An
die erste Seite war eine Notiz geheftet. In einer männlich wirkenden
Handschrift stand etwas darauf, und nachdem ich ein paar Zeilen gelesen hatte,
wurde mir klar, dass es ein Brief ihres Tutors war.
     
    Liebe Alison,
    im Seminar am

Weitere Kostenlose Bücher