Coe, Jonathan
unbedingt
den Pappkarton loswerden wollte.
»Na also - nimmt fast keinen
Platz weg«, sagte ich ein paar Minuten später, nachdem ich ihn vorsichtig in
den Kofferraum des Prius gehoben hatte. Meinen Koffer und den Laptop hatte ich
im Hotel gelassen, deshalb waren die einzigen anderen Gegenstände auf der
Ladefläche zwei Musterkartons mit Zahnbürsten. Mrs Byrne war mit zum Auto
gekommen. Die Nacht war kalt, unser Atem dampfte in der Luft, als wir in der
Einfahrt standen. Ich verabschiedete mich hastig, fast ein bisschen unhöflich;
einerseits wollte ich nicht, dass sie sich erkältete, vor allem aber gingen mir
langwierige Abschiede auf den Geist. Aber kaum saß ich im Wagen und wollte
losfahren, als Mr Byrne um die Hausecke gelaufen kam.
»Vergiss die hier nicht«, sagte
er und hielt die Schlüssel für die Wohnung meines Vaters in die Höhe.
Es war mir tatsächlich
gelungen, sie auf dem Tisch liegen zu lassen. Ich ließ das Fenster herunter und
nahm sie ihm ab.
»Danke«, sagte ich. »Das war knapp.«
»Bist du sicher, dass es die richtigen sind?«, fragte
Mrs Byrne. »Natürlich sind es die richtigen«, sagte Mr Byrne. »Die sehen mir
aber nicht wie die Schlüssel zu Harolds Wohnung aus.«
Ihr Mann ignorierte ihren
Einwand. »Gib gut auf sie acht«, sagte er zu mir. »Es sind die einzigen.«
»Nein, das stimmt nicht«,
sagte seine Frau.
Seufzend drehte er sich um.
»Was sagst du?«
»Es sind nicht die einzigen.
Miss Erith hat auch noch welche.«
»Miss Erith? Was redest du da?
Wer ist Miss Erith?«
»Die alte Dame in der Wohnung
gegenüber. Sie hat auch Schlüssel. Sie sammelt immer noch seine Post, oder? Die
ganzen Postkarten, weißt du nicht?«
»Postkarten? Du redest
Unsinn.«
»Ich rede keinen Unsinn. Er
bekommt immer noch Dutzende von Postkarten jedes Jahr, alle von demselben
Mann.« Sie beugte sich zum Fenster herein und sagte zu mir: »Ich weiß, wovon
ich rede, nur er weiß es nicht. Hör nicht auf ihn. Mach dir einen schönen Abend
mit unserer Tochter. Und grüße Alison ganz herzlich von uns, ja?«
»Und bring ihr diese
Papiere!«, sagte Mr Byrne. »Vergiss bloß diese Papiere nicht. Lass dich nicht
abwimmeln.«
»Bestimmt nicht.«
»Noch mal vielen Dank für die
Zahnbürsten.«
»Aber nicht doch. Danke für
den Tee.«
Ich winkte ihnen zu und ließ
das Fenster hoch, bevor sie noch etwas sagen konnten. Sonst hätten wir die
ganze Nacht noch dort gestanden. Das viele Reden zermürbte mich langsam -
besonders mit Mrs Byrne, die mir ein bisschen wunderlich zu werden schien.
Ihre Bemerkung über die Postkarten hatte schon sehr eigenartig geklungen. Es
kam mir mehr als unwahrscheinlich vor, dass irgendjemand immer noch Postkarten
an die Adresse meines Vaters in Lichfield schickte, wo er seit über zwanzig
Jahren nicht mehr lebte. Und jetzt - wohin?
Ich fuhr erst mal in die
Stadtmitte. Natürlich ließ ich mir dabei von Emma Gesellschaft leisten, aber
ich hatte ihr kein neues Ziel genannt, deshalb war sie noch der Meinung, wir
seien zum Haus von Mr und Mrs Byrne unterwegs, und ihre Direktiven waren
ziemlich konfus. Mir war es egal. Ich war einfach nur froh, ihre Stimme zu hören.
Birmingham hatte sich sehr
verändert, seit ich zum letzten Mal dort gewesen war. Es waren so viele neue
Gebäude errichtet worden - die meisten davon Einkaufszentren -, dass ich mich
kaum noch zurechtfand. Schließlich entdeckte ich ein mehrstöckiges Parkhaus
und ging zu Fuß in den neuen Komplex von Läden und Cafes am alten Kanalbecken.
Es gab dort eine ganze Reihe von Restaurants, deren Namen ich nicht kannte, und
am Ende entschied ich mich für einen Pizza Express, weil das Bekannte immer
noch das Tröstlichste war. Beim Pizza Express wusste man genau, woran man war.
Es herrschte viel Betrieb im
Restaurant. Alle Gäste sahen etwa zwanzig Jahre jünger aus als ich, und wie
immer machte es mich etwas befangen, allein dort zu sitzen und zu essen. Ich
hatte nichts zum Lesen mitgenommen, also holte ich mein Handy hervor, um eine
SMS an Trevor zu schicken, während ich auf meine Pizza wartete. Er rief mich
ein paar Sekunden später zurück, benutzte dazu die Freisprechanlage, die in
jedem der vier Autos installiert war, die ich bei meinem allerdings noch nicht
eingerichtet hatte. Die Akustik in dem Restaurant war katastrophal, deshalb
verstand ich ihn kaum, aber ich meinte mitbekommen zu haben, dass er nur noch
eine halbe Autostunde von Penzance entfernt war, und es schien ihn ziemlich zu
amüsieren, dass ich es
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