Coe, Jonathan
ziemlich beeindruckt - bis auf Mrs Sim, die
einfach nur peinlich berührt schaute. Es ist gar nicht böse gemeint, aber ich
hatte ganz stark den Eindruck, dass sie nicht die leiseste Ahnung hatte, was
ihren Mann dazu bewogen haben konnte, dieses Gedicht zu schreiben. Soviel ich
weiß, hatte sie keine besondere Ausbildung, und ich glaube auch nicht, dass sie
sehr intelligent war. Sie arbeitete halbtags als Sprechstundenhilfe bei einem
Arzt in Moseley, und auch wenn sie ein sehr freundlicher Mensch war und mit beiden
Beinen auf dem Boden stand - und übrigens verdammt gut aussah -, musste man
sich doch fragen, warum sie und ihr Mann geheiratet hatten oder wo sich ihre
Gemeinsamkeiten verbargen. Aber die Beziehungen anderer Menschen sind nun
einmal ein Geheimnis, und vielleicht sollte es auch so bleiben.
Das andere, was Mr Sim außer
dem Notizbuch ständig mit sich herumtrug, war sein Fotoapparat. Es war ein
klobiger, kompliziert und altmodisch aussehender Apparat, der wohl mal eine
Menge Geld gekostet hatte und den er immer umständlich in einer abgestoßenen
ledernen Umhängetasche verstaute. Er fotografierte vorwiegend Landschaften
oder machte extreme Nahaufnahmen von Baumstämmen, Pilzen und ähnlichen Dingen.
Mit anderen Worten: keine Urlaubsfotos. Seine Fotografie war, wie seine Lyrik,
eine sehr einsame Angelegenheit. Soweit ich das beurteilen konnte, nahm er Max
nie auf seine Exkursionen mit, um ihm zu zeigen, wie man den Bildausschnitt
oder die richtige Belichtungszeit wählte; überhaupt schienen sehr wenige Informationen
vom Vater an den Sohn zu fließen. Das war für mich schwer zu verstehen, weil mein
Vater ständig mit uns redete und uns zeigte, wie man Dinge machen musste. Ich
weiß noch, wie er am ersten Abend dieses Urlaubs mit Chris in den Wald ging und
mit vielen Ästen und Zweigen wieder herauskam, um damit ein Feuer zu machen. Er
fragte mich, ob ich Lust hätte, ihnen zu helfen, aber ich war zu sehr mit der
Lektüre meiner Cosmopolitan beschäftigt. Max schien auch kein großes Interesse zu
haben, außerdem musste er seiner Mutter beim Kartoffelschälen helfen, und ich
kann mich erinnern, dass er sich dabei in den Finger schnitt und in den
folgenden Tagen ein Pflaster trug. Mein Dad fing also an, mit der ihm eigenen
Gründlichkeit ein Feuer zu machen und Chris den Prozess Schritt für Schritt zu
erklären. Er sagte, dass es eben nicht ausreiche, ein paar Äste auf den Boden
zu legen und ein Streichholz dranzuhalten. So käme man nie zu einem dauerhaften
Feuer. Zuerst müsse man ein Stück Boden freimachen und am besten mit einem
Kreis aus Steinen eingrenzen, damit es sich nicht ausbreiten kann. Dann
errichte man aus Reisig und kleinen Zweigen einen Haufen, vielleicht zusammen
mit etwas Pappe oder Eierschachteln, falls man so etwas zur Hand hatte. Es sei
wichtig, das Reisig nicht zu dicht aufeinander zu schichten, erklärte Dad,
damit die Luft zirkulieren kann. An trockenem Holz, das sich als
Anzündmaterial und Brennstoff verwenden ließ, herrschte natürlich kein Mangel,
schließlich hatte es in diesem Teil der Welt seit Wochen nicht mehr geregnet.
Es gebe verschiedene Arten, die größeren Holzstücke über dem Reisig
anzurichten, sagte Dad: Er und Chris experimentierten im Lauf der Woche mit den
unterschiedlichsten Methoden (in Form einer Pyramide, eines Sterns, eines
Blockhauses usw.), aber letztlich stellte sich heraus, dass eine Art Tipi aus
Holz sich am besten eignete, weil das Reisig auf diese Weise durch die Mitte
brannte, und die äußeren Zweige nach innen fielen und das Feuer fütterten,
wenn sie an der Reihe waren. Um das Feuer anzuzünden, nahmen sie alles Mögliche
als Zunder - Moos, trockenes Gras,
Tannennadeln und Birkenrinde -
und Chris sah sich besonders gründlich nach den geeignetsten Materialien um,
weil es in den nächsten Tagen seine Aufgabe war, das Feuer allein in Gang zu
bringen. Er kam jeden Abend mit einem einzigen Streichholz aus, und wir bekamen
für zwei Stunden oder länger ein schönes, prasselndes Feuer. Es war schön,
jeden Abend so ein Feuer zu haben, denn so warm die Tage waren, so kühl waren
die Abende inzwischen geworden. Besonders toll war es, wenn das Feuer schon
eine Weile gebrannt hatte und die Glut in der Mitte richtig heiß war; dann
hatten wir schon gegessen und holten als Dessert ein Päckchen Marshmallows
heraus, die wir in der Glut des Feuers rösteten. Köstlich.
Gegen Ende der Woche änderte
sich das Wetter. Bis dahin war es so warm gewesen,
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