Coelho,Paul
auf.
Der Meister baute das Zelt auf,
und der Schüler sollte die Pferde an einem Felsen festbinden. Doch als er beim
Felsen ankam, dachte er sich:
>Der Meister will mich auf die
Probe stellen. Er sagt, Gott würde sich um alles kümmern, und nun bittet er
mich, die Pferde festzubinden. Er will sehen, ob ich Gott vertraue oder nicht.
<
Und anstatt die Tiere
festzubinden, sprach er ein langes Gebet und übertrug Gott die Wache.
Als sie am nächsten Tag
aufwachten, waren die Pferde verschwunden. Enttäuscht beklagte sich der Schüler
beim Meister und sagte ihm, er vertraue Gott nicht mehr, denn der kümmere sich
nicht um alles, er hätte vergessen, auf die Pferde aufzupassen.
>Du irrst<, antwortete der
Meister. »Gott hätte sich gern um die Pferde gekümmert, aber er brauchte in
diesem Augenblick deine Hände, um sie festzubinden.«
Took zündete
eine kleine Gaslampe an, die draußen am Wohnwagen hing. Das Licht überstrahlte
den Glanz der Sterne in seiner Umgebung.
»Wenn wir beginnen, an unsere
Engel zu denken, beginnen sie, sich zu offenbaren. Ihre Gegenwart wird immer
deutlicher, lebendiger. Nur zeigen sie sich so, wie sie es schon immer getan
haben, zuerst einmal durch andere Lebewesen.
Dein Engel hat diesen Mann
benutzt. Er wird ihn früh aus dem Haus geschickt, irgendetwas in seiner
täglichen Routine geändert, alles so eingerichtet haben, dass er genau in dem
Augenblick, als ihr ihn brauchtet, zur Stelle war. Das war ein Wunder. Versuch
nicht, daraus ein ganz gewöhnliches Ereignis zu machen!«
Paulo hörte schweigend zu.
»Als wir den Hügel hinaufsteigen
wollten, habe ich die Taschenlampe vergessen«, fuhr Took fort. »Du wirst gemerkt haben, dass ich eine ganze Weile beim Auto geblieben
bin. Immer wenn ich etwas vergesse, wenn ich aus dem Haus gehe, spüre ich, dass
mein Schutzengel aktiv wird. Er bringt mich dazu, mich um ein paar Sekunden zu
verspäten - und dieses bisschen Zeit kann etwas sehr Wichtiges bedeuten. Es kann
mich vor einem Unfall schützen oder dazu führen, dass ich jemandem begegne, den
ich brauche.
Darum setze ich mich immer kurz
hin, nachdem ich das geholt habe, was ich vergessen hatte, und zähle bis
zwanzig. So hat mein Engel Zeit zu handeln. Ein Engel benutzt viele Werkzeuge.«
Der Amerikaner bat Paulo, kurz zu
warten. Er stieg in den Wohnwagen und kam mit einer Landkarte zurück.
»Ich habe die Walküren zuletzt
hier gesehen.«
Er zeigte auf einen Punkt auf der
Karte. Chris fiel auf, dass die Feindseligkeit zwischen den beiden nachgelassen
hatte.
»Pass gut auf Chris auf!«, sagte Took . »Es ist gut, dass sie mitgekommen ist.«
»Das finde ich auch«, antwortete
Paulo. »Vielen Dank für alles.«
Und sie verabschiedeten sich.
»Was war ich bloß für ein Esel!«,
sagte Paulo, sobald sie sich etwas entfernt hatten, und hieb mit der Faust aufs
Lenkrad. »Esel? Und ich dachte schon, du wärst eifersüchtig.«
Aber Paulo lachte gut gelaunt.
»Vier Wege! Und er hat nur drei
erwähnt! Über den vierten Weg spricht man mit dem Engel!«
Er wandte sich an Chris. Seine
Augen strahlten vor Freude.
»Der vierte Weg ist das Channeling !«
F ast zehn
Tage in der Wüste. An einer bestimmten Stelle machten sie halt. Als hätten sich
vor Urzeiten Dutzende Flüsse tief ins Erdreich hineingefressen, war dort der
Boden von Schluchten, sogenannten arroyos , durchzogen,
die von den Auswirkungen der Sonne allmählich verbreitert wurden.
Dort gab es weder Skorpione noch
Schlangen, noch Koyoten , nicht einmal niedrigen
Pflanzenbewuchs. In der Wüste gab es viele dieser sogenannten badlands .
Sie traten in eine dieser
Schluchten und konnten zwischen meterhohen Erdwänden nur einen gewundenen,
scheinbar endlosen Weg sehen.
Sie waren nicht mehr diese zwei
leichtfertigen Abenteurer, die glaubten, ihnen könnte nichts Schlimmes
geschehen. Die Wüste hatte ihre eigenen Gesetze und tötete diejenigen, die sie
missachteten. Sie wussten nun, wann es draußen in der Wüste ungefährlich war,
sie konnten die Spuren der Klapperschlangen erkennen, wussten, wann sie welche
Sicherheitsmaßnahmen treffen mussten. Entsprechend hatten sie, bevor sie sich
in die badlands begaben,
einen Zettel hinter der Windschutzscheibe des Wagens zurückgelassen, auf dem
stand, wohin sie gegangen waren. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde war und
es überflüssig, ja sogar lächerlich zu sein schien, könnte, wenn doch etwas
passierte, jemand, der mit seinem Wagen anhielt, den Zettel lesen und
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