Coffee, Love & Sugar - Roman
gerade der Typ zu sein, der wilde Nächte in der Stadt verbrachte.
Sie öffnete den Reißverschluss an der Vorderseite des Kleidersacks, und ich rechnete beinahe damit, dass sie ein abscheuliches Piss-Prinzessinnenkleid wie für einen Abschlussball herausziehen würde, so als Geste in der Art: Sieh mal, wie hip ich bin! Doch stattdessen holte sie ein wunderbares, enggeschnittenes Abendkleid aus hochwertiger chinesischer Seide in einem zarten Lila mit feinen elfenbeinfarbenen und jadegrünen Blumenstickereien hervor. Es war sehr schlicht, elegant und exquisit.
Ich sagte: »Um was geht es denn hier?«
LisBETH ging mit dem Kleid auf mich zu und hielt es mir an. »Genau wie ich es mir gedacht habe, die richtige Länge«, sagte sie. Sie blickte zu mir hoch und sagte: »Dieses Kleid gehörte meiner ... unserer Großmutter, Daddys Mutter. Oma Molly war ein ziemliches Original. Während der Prohibition führte sie ein Spirituosengeschäft, hat fünf Mal geheiratet, fluchte wie ein Matrose und rauchte drei Packungen Zigaretten am Tag. Aber mein Gott, was war sie für eine unglaublich raffinierte Geschäftsfrau! Mit dem Geld aus ihren Scheidungsvereinbarungen verdiente sie ein Vermögen an der Börse. Du siehst ihr sehr ähnlich, weißt du das? Das hat mich total erschreckt, als ich dich zum ersten Mal sah. Wahrscheinlich geht es Daddy genauso – muss ihm Angst und Schrecken einjagen! Aber er hat es verdient. Das sollte das Kreuz sein, das er zu tragen hat: Dass sein heimliches Kind das Abbild seiner Mutter ist, aus deren Schatten er sein Leben lang zu entkommen versucht hat.«
Ich fing langsam an zu begreifen, was Danny und Aaron damit meinten, dass lisBETH nicht immer so übel war. Ich fragte: »Hast du ein Foto von ihr?«
»Keins dabei. Wenn du mal bei mir vorbeikommst, dann zeige ich dir eins.« Vielleicht war ich in lisBETHs Augen mittlerweile auch nicht mehr eine ganz so verachtenswerte Person. Sie fuhr fort: »Oma Molly war außergewöhnlich groß, wie du, und trotz ihrer Art irgendwie elegant. Das hier war ihr Lieblingskleid. Ich habe es reinigen lassen und jahrelang aufbewahrt, aber weißt du was? Wenn ich dieses Kleid berühre, kann ich noch immer ihre Lucky-Strike- Zigaretten riechen! Ich kann sie durch dich quasi jetzt hier stehen sehen, wie sie uns, die Zigarette in der einen Hand, mit dem ausgestreckten Finger der anderen Hand herumscheucht: ›Los, bring mir einen Sherry!‹ – ›Geh mit Mister Pudel Gassi!‹« LisBETH kicherte leise – eine Wahnsinnsleistung, die ich nicht für möglich gehalten hätte. »Oma Molly wollte, dass ich das Kleid bekomme, aber lass uns mal ehrlich sein – es hätte nie zu mir gepasst, egal, wie sehr ich es hätte umnähen oder kürzen lassen. Dieses Kleid gehört zu einem schönen, schlanken, großen Mädchen.« Dramatische Pause. »Wie du.«
Ich sah lisBETH direkt in die Augen und sagte: »Danke.«
Ihr war die Besonderheit des Augenblicks bewusst und sie erwiderte ohne jegliche Spur Gehässigkeit: »Nichts zu danken. Ich dachte, wir könnten zusammen passende Schuhe zum Kleid kaufen gehen. Was meinst du?«
»O ja, bitte«, sagte ich.
»Cyd Charisse, sosehr du auch als kleine Wilde rüberkommst, ich muss doch zugeben, dass du einwandfreie Manieren hast.«
»Is ja ’n Ding!«, sagte ich, als wir gemeinsam durch die Tür traten.
»Wollen wir zuerst zu Gap gehen?«, fragte sie im Fahrstuhl mit hoffnungsvoller Stimme. Als ich ein Gesicht wie in einem Horrorfilm machte, sagte sie: »Aber ich dachte, alle Teenager wollen bei Gap einkaufen!« Wahrscheinlich hatte sie diese Information aus irgendeinem Ratgeber mit dem Titel Wie man zum Mentor seiner unehelichen Teenager-Schwester wird.
»Dieser hier nicht! Ich bin eher so der Typ Mädchen, der auf Billigladenketten, Schnäppchen und Secondhandläden steht. Aber für schicke Schuhe bin ich immer zu haben.«
»Na, wenn das so ist«, sagte sie. Und wisst ihr was? Als wir uns zusammen hinauswagten, würde ich fast behaupten, sie hatte Spaß. Würde fast behaupten, ich auch.
Als wir Richtung Madison Square Garden liefen, fragte ich sie: »Wie sieht’s aus, lisBETH, gibt es irgendeinen bestimmten Mann in deinem Leben?«
Sie seufzte – sehr beeindruckend, wenn ich das hinzufügen darf. Ich würde ihrem Seufzen eine Zwei plus geben. Sie antwortete: »Nein, alle Männer, die ich kenne, sind entweder schwul, verheiratet, totale Idioten oder haben kein Geld.«
Ich sagte: »Manchmal sind die ohne Geld die
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