Coffee, Love & Sugar - Roman
zugleich war, auch wenn er mein Bruder war und ich ihn erst seit ein paar Wochen kannte.
Unser gemeinsamer Augenblick war vorbei, als wir aufblickten und Echt-Dad Frank vor uns neben der Espressomaschine stehen sahen. Danny hielt mich weiter mit seinen Krakenarmen umschlungen und sagte nur: »Was gibt’s, Paps?«
Frank errötete ein wenig, ich vermute aufgrund der Zuneigung zwischen Danny und mir. Er hatte überhaupt keine Zeit mit uns beiden zusammen verbracht, daher wusste er nicht, wie nah wir uns bei den Arbeitsschichten gekommen waren, die wir fast jeden Tag zusammen verbracht hatten, während Frank im Büro war oder sich mit Kunden, Frauen oder wem auch immer amüsierte, aber vor allem keine Zeit mit mir verbrachte, obwohl ich doch extra gekommen war, um ihn kennen zu lernen.
»Tja, hallo«, sagte er irgendwie unbeholfen. »Ich bin vorbeigekommen und wollte mal sehen, ob ich Cyd Cha-risse zum Abendessen entführen kann. Sie hat hier so viel ihrer Zeit verbracht, dass ich sie kaum mehr gesehen habe.«
Danny gab mir unter dem Tresen einen Tritt, damit ich nichts Gemeines erwiderte, was ich gerade vorhatte. Etwas mit Heuchler und so.
»Das würde sie total gerne!«, rief Danny gegen die Musik an.
Jetzt gab ich ihm unter dem Tresen einen Tritt.
»Ich habe schon gegessen«, wandte ich ein.
Danny sagte: »Warum setzt ihr beiden euch nicht hin und ich bringe euch was zum Nachtisch?«
»Das wäre nett, Sohn«, meinte Frank, und ich unterdrückte ein Kichern, weil er so förmlich war.
Danny brachte uns ein perfektes Stück Rührkuchen mit Ingwerbrotstreuseln und Schlagsahne obendrauf. Nur ein Stück, damit Frank und ich teilen mussten, und es war erstaunlich lecker, obwohl ich es teilen musste. Frank trank aus einem schicken Teeservice und ich ließ es so richtig krachen: Spätabends einen Café au Lait aus doppeltem Espresso und voller Koffeinladung.
My Dead Gay Son brachten gerade Jazz Standards, sodass man einander jetzt besser verstehen konnte als vorhin, als die Band die Sex Pistols gecovert hatte. Bevor Frank einen Schluck von seinem Kräutertee nahm, sagte er: »Cyd Charisse, du bist ein reizendes Mädchen. Ein bisschen, ähm, hitzköpfig, aber ein reizendes Mädchen. Ich möchte, dass du das weißt. Deine Mutter und Sid haben das großartig hinbekommen.«
»Dieser Einschätzung würden sie vermutlich widersprechen, Frank. Trotzdem danke.« Das war nicht viel, aber immerhin. Ganz ehrlich fühlte es sich wahnsinnig gut an, diese Worte von ihm zu hören, auch wenn ich das ihm gegenüber nie zugeben würde, nicht, nachdem er mich als »hitzköpfig« bezeichnet hatte.
»Du verstehst, warum ich meine Entscheidungen so treffen musste?«, fragte er.
»Ja«, sagte ich, klang aber nicht so recht überzeugend.
Frank holte sein Portemonnaie hervor und griff in das kleine Fotofach. Unter einem Schulfoto von lisBETH, auf dem sie ungefähr in der fünften Klasse war, zog er ein Foto von Nancy hervor, auf dem ihr blondes Haar mit einem Band zurückgebunden war, sie ein Krankenhausnachthemd trug und mich am Tag der Geburt im Arm hielt. Sie sah so glücklich, jung und wunderschön aus, dass ich sie beinahe nicht erkannt hätte.
Hinter diesem Foto zog er ein kleines Kindergartenfoto von mir hervor, das aus dem Jahr stammte, in dem wir nach San Francisco gezogen waren. Schon damals hatte ich lange, schwarze Haare und einen lockigen Pferdeschwanz, und die Wimpern über meinen Mandelaugen waren dick, schwarz und geschwungen. Ich lächelte nicht, aber ich lächle nie auf Fotos. Ich erinnere mich, dass ich an dem Tag, an dem das Foto gemacht wurde, total glücklich war, weil Sid-Dad an diesem Nachmittag in den Kindergarten gekommen war, um sich beim Halloween-Grillfest um die Burger zu kümmern, und ich war so stolz gewesen, dass ich einen richtigen Papa hatte, mit dem ich im Kindergarten angeben konnte. Was für ein großartiger Tag das für mich gewesen war.
Es war gut zu wissen, dass all die Jahre lang, die ich über Frank gegrübelt und mich nach ihm gesehnt hatte, zumindest ein kleiner Teil seines Herzens auch an mir gehangen hatte. Ich dachte an das, was Miss Loretta über Erwachsenwerden und Weiterziehen gesagt hatte und von Fehlern lernen.
Ich fragte Frank: »Wenn du alles noch mal machen müsstest, würdest du es dann wieder tun?«
Frank antwortete: »Wahrscheinlich. Ich habe deine Mutter sehr geliebt.«
Nancy zuliebe war ich froh, dass er das sagte, auch wenn ich den Verdacht hatte, dass es sich dabei nur
Weitere Kostenlose Bücher