Coins - Die Spur des Zorns
momentan doch gar nicht übrig.“
Schrage sah seinen Chef nachdenklich an. „Den psychischen Druck? Sie meinen die Fünfmarkstücke? Wollen Sie denen etwa welche zustecken?“
„Das vielleicht nicht gerade, aber mir wird schon etwas einfallen. Der Killer macht Druck, und ich mach mir diesen zunutze. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, eine Bresche in die Mauer des Schweigens zu schlagen, bevor er sie alle umgebracht hat. So stell ich mir das jedenfalls vor.“
Schrage schüttelte ungläubig den Kopf. „Sie wollen den weiter gewähren lassen?“
„Natürlich nicht, Schrage! Wenn wir ihn vorher zu fassen kriegen, buchten wir ihn ein! Gar keine Frage! Aber muss die Bande das erfahren?“
Schrage grinste. „Ach, so meinen Sie das. Und dann lassen Sie rein zufällig so ein Fünfmarkstück in irgendeine Hosentasche fallen?“
„Ein bestechender Gedanke. Hat allerdings einen Nachteil: Das funktioniert, wenn überhaupt, nur ein einziges Mal.“
„Wieso?“
„Wenn dem Fanal kein gewaltsamer Tod folgt, hat es seine Wirkung verspielt. Oder wollen Sie den Typen etwa umbringen?“
„Verarschen Sie mich nicht, Chef! Was anderes: Wir reden immer von einem Täter. Es könnten auch mehrere sein. Vielleicht drängt sich ein konkurrierender Verein in Boris Kustows Geschäftsfeld. Beim Menschenhandel wird verdammt gut verdient! Der Gedanke kommt mir gerade.“
Schöller dachte einen Moment nach, dann schüttelte er den Kopf. „Ist nicht auszuschließen, aber ich glaube das nicht. Woher sollten die das Hintergrundwissen haben? Ich meine die spezielle Rolle der Fünfmarkstücke. Außerdem spricht die Vorgehensweise für einen Einzeltäter. Hinter diesem könnte natürlich eine Bande stehen, eine neue Struktur möglicherweise, da gebe ich Ihnen recht. Aber das ändert aktuell nichts an unserer Vorgehensweise. Was können wir auch anderes tun? Wir haben nichts, Schrage. Bisher fehlt jeglicher Ansatzpunkt, den Münzenkiller aus dem Verkehr ziehen zu können.“
„Münzenkiller. Hat das Kind wenigstens einen Namen. Ich hab‘ ein blödes Gefühl, aber ich glaube, der wird uns noch in Atem halten. Sind Sie mit Ihrer 64 Gigabyte-Aktion wenigstens vorangekommen? Sie sagten vorhin, es sei eine kurze Nacht gewesen. Schätze, dass Sven Heisterkamps gesammelte Werke daran nicht unbeteiligt waren.“
„Da liegen Sie richtig. Ich glaube, diesmal hat es sich gelohnt. Holen Sie sich mal ‘nen Stuhl und setzen Sie sich zu mir.“ Schöller drehte den Bildschirm zur Seite, damit auch Schrage ihn im Blick haben konnte. Er wartete, bis Schrage sich neben ihn gesetzt hatte. „Ich habe mir vergangene Nacht auf der Speicherkarte noch einmal den vollgestopften Papierkorb vorgeknüpft. Normalerweise leert man den von Zeit zu Zeit, sind ja alles nutzlose Daten. Das ist auf Sven Heisterkamps Datenträger seit Monaten nicht der Fall gewesen. Ich schloss daraus, dass hier eventuell etwas versteckt wird. Dieses Mal habe ich in der Mitte angefangen; fragen Sie mich nicht, warum. Genauso gut hätte ich auch unten anfangen können. Ich bin systematisch jede Datei durchgegangen, habe sie, soweit möglich, mit relevanten Dateien in den Ordnern abgeglichen – eine Scheißarbeit. Und verdammt zeitraubend. Beim Faksimile eines technischen Handbuches – es handelte sich um die Betriebsvorschrift für den Lokomotivführer der Preußischen Eisenbahn um die Jahrhundertwende – stieß ich auf eine Auffälligkeit. Das Buch war im Ordner „KPEV – Handbücher“ aufgeführt. Der Abgleich der Dateieigenschaften ergab, dass die in den Papierkorb verbannte Datei eine größere Datenmenge aufwies, als die im Ordner abgelegte Datei. Na, Schrage, was sagt uns das?“
Schöller beugte sich nach rechts, langte nach der Kaffeekanne, reichte Schrage eine der Tassen, die Besuchern vorbehalten waren. Schöller weigerte sich konstant, daraus zu trinken. Becher waren unerlässlicher Bestandteil seines Bürolebens. „Nun? Fällt der Groschen?“ Er goss Schrage ein.
„Danke, Chef. Was soll da großartig fallen? Das Buch im Papierkorb hat mehr Seiten, würde ich sagen. Oder es enthält einen Anhang, der in der im Ordner abgelegten Version nicht enthalten ist.“
„Bingo, Schrage! Die zweite Option ist es! Sie sind schneller, als ich es vergangene Nacht war! Ich habe nämlich erst einmal Seite um Seite den Text abgeglichen, weil ich darin das Versteck vermutete. Hätte ich mir als erstes die Liste der Anlagen vorgeknüpft, wäre ich wesentlich früher ins
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