Cold Belt - Band 1 - Feuerblut (German Edition)
375 Jahren, in denen ich genug Zeit hatte, Erfahrungen zu sammeln. Ich habe in Kriegen gekämpft. Von 1801 bis 1805 im Amerikanisch-Tripolitanischen Krieg. Von 1861 bis 1865 habe ich ebenfalls gekämpft, für die Freiheit der Sklaven. Natürlich waren mir da meine übermenschlichen Kräfte sehr nützlich. Aber nicht nur das. Auch das Wissen, das ich mir in diesen vielen Jahren aneignen konnte, kann nur von Vorteil sein. Nicht nur für mich, sondern für jeden, der meine Bücher liest oder auf meine Veranstaltungen kommt. Ich habe auch eng mit Wissenschaftlern, Psychiatern und Forschern zusammengearbeitet, die die Vampire erforscht haben. Es stellte sich ja auch die Frage, wie es überhaupt funktioniert, dass ein Mensch so lange leben kann, ohne dass sein Herz schlägt oder er normalen Alterungsprozessen unterliegt. Was macht es mit der Psyche des Menschen, wenn man so lange lebt? 2021 wurde ein Heilmittel gegen Aids und Krebs gefunden. Alzheimer konnte behandelt werden.“ Carsey lächelte sanft, blickte kurz zu Boden.
„ Weil ... wir Vampire erforscht wurden. Weil man unsere Zellen untersucht hat. Anfangs unfreiwillig, im dritten Weltkrieg. Danach durch Freiwillige, die sich untersuchen ließen. Dank unserer Hilfe konnten viele Krankheiten besiegt werden. Keiner muss mehr vor diesen tückischen Krankheiten Angst haben.“
Als Carsey diesen Satz beendete, bekam er tosenden Applaus, es standen sogar Menschen im Publikum auf. Auch Maria seufzte. Ihre Mutter war 2011 einem Krebsleiden erlegen. Eine Krankheit, die man heute problemlos heilen konnte, für die es seit zwei Jahren sogar eine Schutzimpfung gab. Zwar war diese teuer, verschaffte aber eine beinahe hundertprozentige Garantie, an dieser Krankheit nicht mehr zu leiden. Leonhard kuschelte sich an seine Mutter, kannte er seine Großmutter doch nur von Bildern. Es gab nur wenige Fotos mit Elisa Capriolli, die mit ihrer Enkelin Elisabetta auf dem Arm posierte. Lilly war damals wenige Monate alt, doch ihre Großmutter war damals schon nicht mehr in der Lage gewesen, sie von einer Puppe zu unterscheiden. Lilly legte einen Arm um ihre Mutter, kuschelte sich ebenso an sie.
Inzwischen wurde die heutige Gegenrednerin von Carsey Benton ins Studio gebeten. Grace Humphrey. Sie war ebenfalls Autorin und hatte vor wenigen Monaten den Bestseller `Lieber tot als Vampir ´ herausgebracht, der sich insgesamt über 32 Millionen Mal weltweit verkauft hatte. Auch sie wurde mit einer Mischung aus Applaus und Buhrufen begrüßt.
Bevor Harway Betherman aber irgendetwas sagen konnte und bevor sie es schaffte, sich in ihren Sessel zu setzen, schimpfte sie bereits lauthals los. Ihre biedere Frisur, das enge graue Kostüm und ihre viel zu großen Ohrringe unterstrichen ihr herrisches Auftreten. Sie hätte trotz ihres vorangeschrittenen Alters ein rosarotes Mädchenkleid mit Schleifen anziehen können und doch hätte man ihr noch die Rolle der herrschsüchtigen Domina abgekauft.
Ihr abgemagerter Zeigefinger deutete auf Carsey, der ruhig in seinem Sessel sitzen blieb, da er sich nicht von ihr provozieren lassen wollte. Als sie losbrüllte, wackelten ihre schlaffen Wangen wie bei einem chinesischen Faltenhund, der dabei war, einen Knochen abzuschlecken.
„ Es ist eine Schande, dass man so eine Kreatur, wie dieses Wesen es ist, überhaupt hier hineinlässt! Dass man es uns Menschen zumutet, die gleiche Luft zu atmen, eine Frechheit!“ Unter dem lauten Geschreie positiver und negativer Haltungen des Publikums, rückte sie ihr blasses Kostüm zurecht, zog ihren Sessel näher zu Harway Betherman und setzte sich. Spöttisch betrachtete sie Carsey, der noch immer freundlich zu ihr schaute.
„ Ich hasse diese Frau!“ Maria griff wütend in ihren Rock.
„ Sie schreibt so einen Unsinn! Wie kann man nur?!“
Lilly nickte. Auch sie hatte ihr Buch gelesen. Es war sehr politisch gehalten, unterstrich die Meinungen derer, die für die Ausrottung der Vampire waren.
„ Mrs. Humphrey, bitte. Wir wollen hier ganz in Ruhe diskutieren. Also, bitte erzählen Sie ... ganz in Ruhe Ihren Standpunkt. Nützlich oder unnütz für die Gesellschaft? Und wenn nein, warum?“ Harway Betherman setzte sich wieder aufrecht in seinen Sessel, war er doch vor Schreck vor der keifenden Furie weggerutscht, aus Angst, dass sie auch auf ihn losgehen könnte.
„ Natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Aber wenn man mich mit `so etwas´ in einen Raum steckt … da kann ich nicht anders!“ Sie warf ihr getöntes braunes
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