Cold Belt - Band 1 - Feuerblut (German Edition)
wieder am Herd, um einen weiteren Pancake zu wenden.
„ Lilly! Jetzt komm‘ endlich frühstücken!“, brüllte sie aus der Küche, um ihre Tochter endlich zum Frühstückstisch zu bewegen. Ihr Haus war leer geräumt. Die Umzugsfirma hatte bereits vor einer Stunde alle ihre Möbel abgeholt. Jetzt standen nur noch wenige Kisten und Privates in Koffern verteilt im Flur. Die Einbauküche samt Tisch und dem Fernseher, der in der Kühlschranktür eingebaut war, blieb jedoch hier. Die Nachmieter wollten diese gerne übernehmen und so konnten sie noch einige Dollar zusätzlich sparen. In diesen schweren Zeiten war jeder Dollar viel Wert, besonders, wenn der einzige in der Familie mit einer Arbeitsstelle diese verloren hatte.
„ Elisabetta Hawk!“ Die geballten Fäuste in ihre Hüfte gestemmt, den Pfannenheber fest umklammert, stürmte Maria in den Flur und schaute die Treppe hinauf, wo sie eigentlich ihre Tochter erwartete.
„ Ich komme gleich“, rief Lilly durch die verschlossene Tür und hoffte, in den nächsten paar Minuten noch in Ruhe Abschied von ihrem Zuhause nehmen zu können.
In diesem Zimmer war sie aufgewachsen. Lilly schaute sich wehmütig um, streichelte mit ihren Fingerspitzen über die alten Regalbretter, wo ihre Bücher gestanden hatten. Sie schaute noch ein letztes Mal aus ihrem Fenster, wo sie auf das Nachbarhaus sehen konnte. Lächelnd griff sie zu ihrer Violine, schloss ihre Augen und begann zu spielen.
Maria ließ ihren Kopf hängen und ging schnellen Schrittes zurück in die Küche. Sie gestikulierte wild vor dem Rest der Familie herum und fluchte über das angebrannte Frühstück.
Sie war mit ihren Eltern nach New York gezogen, da war sie gerade 11 Jahre alt. Da sie ihre Kindheit dort verbrachte, freute sie sich stets über ein Mitbringsel oder andere Kleinigkeiten, die sie an Italien erinnerten.
„ Dieses Mädchen ...“, zeterte sie und goss etwas Teig in die Pfanne, um einen neuen Pancake zu machen. Jason und Leonhard jedoch genossen das Violinenspiel.
In dem Stück, das sie spielte, schwang viel Trauer mit. Diese in ihr Spiel zu legen, war die beste Möglichkeit für Lilly, all ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Konzentriert genoss sie diesen Moment. Ihren letzten Moment in dem Zimmer, wo sie aufwachsen durfte, gemeinsame Abende mit Freundinnen verbracht, hier ihren ersten Liebeskummer bewältigt und weinend im Bett gelegen hatte. Und hier, wo sie so manches Mal an die Decke gestarrt hatte, um zu träumen. Mit ihren 17 Jahren hatte sie schon einiges erlebt und sich genauso viel vorgenommen.
Eigentlich wollte sie auf eine Universität hier in New York gehen, wo sie sich auf eine Zukunft als Violinistin vorbereiten konnte. Da ihr Vater aber seinen Job verloren und sie die letzten Monate von Ersparnissen gelebt hatten, musste sie ihren Traum wohl oder übel begraben. In Harts gab es nur eine High School und viel Geld hatten sie nicht zur Verfügung.
Lilly genoss ihr letztes Spiel, als sei es ein Abschied für immer. Ihre zarten Finger hielten den Bogen fest, der über die Saiten strich, die herrliche Töne erzeugten. In diesem leer geräumten Zimmer schallte jeder Ton und die nun kahlen Wände warfen ihn zurück, sodass es klang, als spiele sie auf der Bühne einer Konzerthalle. Natürlich war dem nicht so, aber für Lilly hörte es sich so an, da sie träumte. Sie erträumte sich ihr Konzert auf dieser kleinen Bühne, auch wenn es nur ihr Zimmer war. Doch es war ihr Traum.
Eine feine Gänsehaut legte sich langsam über ihren Körper. Sie schmiegte sich an ihre Violine, wurde eins mit ihr, wog ihren Körper wie eine Welle im Klang der Musik. Kurz flatterten ihre Lider auf, als Lilly die letzten Töne spielte und danach ihre Augen schloss, um ihre Tränen zu unterdrücken.
„ Auf Wiedersehen, New York“, hauchte sie und küsste ihre geliebte Violine, bevor sie sie zurück in ihren Violinenkoffer legte. Auf zinnoberrotem Samt gebettet, wusste sie ihre Liebste sicher. Ein letzter Atemzug in ihrem Zimmer, bevor sie hinausging und ihr Türschild abnahm.
Für die lange Fahrt nach Harts in West Virginia hatte sie sich bequem gekleidet. Eine Jeans, dazu bequeme Chucks und ein Shirt. Dazu eine weite Strickjacke, die sie lässig trug. Es stand ihr, auch wenn sie dadurch nicht sehr weiblich wirkte. Das machte Lilly aber nichts, sie kümmerte sich nicht darum, wie ein Mädchen auszusehen, das kurz davor war, in eine Disco zu gehen. Sie trug nie Make-up und konnte in hohen Schuhen nicht
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