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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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erwiderte mein Lächeln, zeigte dabei sehr gerade Zähne und sagte: »Gern geschehen. Tja, dann … bis später.« Damit ging er zu seinen Freunden zurück, als hätte er allein den Mars erobert.
    Ich drängelte mich sofort zu Gina durch und erzählte, was passiert war.
    Fünf Minuten später hatten sich im Partyraum mehrere kleine, flüsternde Grüppchen gebildet.
    Zehn Minuten später wusste jeder auf der Party, dass Walter mich geküsst hatte.
    Das Problem war dabei, dass diese Information sich veränderte, als sie von einem zum anderen ging, wie bei diesem Ferienlager-Spiel, wo eine Geschichte rund ums Feuer weitererzählt wird und am Ende etwas ganz anderes dabei herauskommt als am Anfang. Bei dieser Flüsterrunde wurde eine entscheidende Tatsache verändert, denn es dauerte nicht lange, da marschierte Mandi Fishbaum auf mich zu, im Schlepptau ihre Gang von Doppelgängerinnen, von denen jede ihre eigene Variation des Themas »perfekte Frisur plus teure Klamotten gleich schlechter Charakter« darstellte. Von Mandi war bekannt, dass sie reiche Eltern hatte, einen Körper, der allen anderen in der siebten Klasse um zehn Jahre voraus war, und dass sie seit zwei Jahren die Freundin von Walter J. Thurber war. Oder vielmehr die Ex-Freundin. Die beiden hatten sich vor einem Monat getrennt, aber Mandi verhielt sich noch immer so, als ob nicht nur Walter ihr gehörte, sondern auch die Luft, die er atmete, und der Boden, auf dem er wandelte; jedes Mädchen, das darauf keine Rücksicht nahm, konnte sich warm anziehen.
    Sie blieb vor mir stehen, und ihre Doppelgängerinnen nahmen hinter ihr in einer fächerförmigen Formation Aufstellung.
    Mandi verschränkte die Arme und schleuderte ein einziges Wort in meine Richtung.
    »Schlampe.«
    Das schreckliche Wort hallte durch den Keller, bis es mich mit stechender Präzision traf und etwas Dunkles und Kaltes in meinem Bauch weckte. Ich war wütend, hatte aber das Gefühl, alles im Griff zu haben, während eine kleine, blaue Flamme züngelte und zuckte. Es war drei Jahre her, seit ich dieses kühle, knisternde Phänomen das letzte Mal gespürt hatte, als ich auf der Straße gegen Miss Raupe angetreten war, und ich hatte es schon fast vergessen. Aber als es sich wieder bemerkbar machte, erkannte ich es als etwas so Natürliches wie Atmen oder Kämpfen, während die Vorstellung, Mandi richtig weh zu tun, meinen Kopf erfüllte und sich hinter meinen Augen breitmachte.
    Als das blaue Feuer in meinem Bauch aufloderte, wurde mir klar, wie sehr es sich von damals unterschied, als ich acht oder zehn gewesen war. Dieses Mal war es, als ob ich Mandi allein kraft meines Blickes befehlen konnte, irgendwas zu tun.
    Offenbar konnte sie das an meinem Gesicht ablesen, denn plötzlich lag Angst in ihren Augen. Oder vielmehr war es so, als ob ich fühlen konnte, was sie fühlte, und das war für sie schrecklich, aber für mich eben angenehm. Doch dann verlosch diese kalte Wut so schnell, wie sie gekommen war, und das Einzige, was nun noch in meinen Augen stand, waren Tränen. Als Mandi sie entdeckte, lächelte sie und wandte sich mit ihren Doppelgängerinnen ab; sie hatte erreicht, was sie wollte. Während tausend Nadeln mein Herz durchbohrten und Stimmen um mich herum flüsterten, fühlte ich plötzlich, dass jemand meinen Ellenbogen berührte. Ich wischte mir die Augen und entdeckte neben mir einen kleinen Jungen – viel kleiner als ich und sogar noch dünner. Er hatte Locken, eine Zahnspange von den Ausmaßen einer Bärenfalle und warme braune Augen, die hinter einer Brille hervorblickten.
    »Ignoriere die einfach. Mit Schwachköpfen kann man nicht streiten«, sagte er, sah mir ins Gesicht und lächelte. »Und Mandi und ihre Freundinnen sind totale Schwachköpfe.«
    Das war meine erste Begegnung mit Max Kissberg.
    Wir sprachen oder sahen uns nicht mehr wieder, bis ich in die Highschool kam.
    Genau genommen sprach ich damals allerdings auch nicht mit Max, sondern nickte nur und versuchte weiterhin tapfer, nicht in Tränen auszubrechen. Ich hatte nichts gemacht, ganz bestimmt war ich es nicht gewesen, die Walter Avancen gemacht hatte, und dass ich plötzlich im Mittelpunkt ungewollter, ablehnender Aufmerksamkeit stand, machte die Sache nur noch schlimmer. Seit meiner Geburt hatte man mir eingeimpft, genau solche Szenen zu vermeiden, und die starrenden Blicke gingen mir durch und durch. Inzwischen sah ich den Raum nur noch tränenverschwommen, und ich hastete aus dem Keller und rannte den ganzen

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