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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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Weg nach Hause zur Bäckerei. Dabei wollte ich vor allem deswegen mit Onkel Buddy reden und nicht mit meinen Eltern, weil sie damals andere Sorgen hatten als mich und meine Probleme. Es war eine seltsame Zeit in unserem Leben, ähnlich wie damals, als Lou zur Welt kam. Allerdings war es diesmal nicht ein Baby, das ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, sondern ein Geheimnis.
    Ich nannte diese Phase den Anfang der »Flüstergespräche«.
    Meine Eltern hörten abrupt auf zu reden, wenn ich ins Zimmer kam, oder sie sprachen leise miteinander, wenn sie in der Küche saßen oder sich spät abends ins Schlafzimmer zurückzogen.
    Das ging so weiter, bis meine Familie verschwand.
    Als ich sie das erste Mal belauschte, schien es um Geld zu gehen.
    Nur wenige Tage vor Ginas Geburtstagsparty hatte ich an der Tür gelauscht, als mein Dad leise erklärte, dass wir »genug zum Leben« hatten, was in unserem Haus eigentlich nie ein Thema gewesen war. Meine Mutter fragte sich, wie wir zurechtkommen würden, »wenn wir es durchziehen«.
    » Wenn wir es durchziehen«, sagte mein Vater.
    »Anthony, irgendwann muss es sein. Wir können nicht ewig so weitermachen.«
    »Du hast recht, Teresa. Die Zeit rückt näher. Davon abgesehen ist es auch richtig.«
    Lange Zeit verstand ich nicht, wovon sie sprachen. Aber als ich es dann tat, wurde mir klar, wie schwer ihre Entscheidung gewesen war und was sie unsere Familie gekostet hatte.
    Aber damals, da ich Walters frischen Spearmint-Geschmack noch auf meinen Lippen hatte und Mandis bittere Beschimpfung noch in meinen Ohren widerhallte, konnte ich den Gedanken nicht ertragen, mich bei jemandem auszuweinen, der mir nicht seine volle Aufmerksamkeit schenken würde. Ich riss die Tür zur Bäckerei auf, dass die kleine Glocke wild klingelte, und drängte mich an meiner Oma vorbei, die gerade die Glasfront des Tresens putzte. Lou saß auf der Marmortheke und aß einen melassa biscotto – einen süßen Karamellkeks. An seiner Seite war sein ständiger Begleiter und bester Freund, Harry, der mich voller Hass anstarrte.
    Harry war ein italienisches Windspiel.
    Mir erschien er immer wie eine aalglatte, überdimensionale Ratte.
    Harry verabscheute mich aus tiefster Seele, und mir ging es umgekehrt genauso, aber wir beide liebten Lou aus ganzem Herzen, deswegen nahmen wir einander hin – gezwungenermaßen.
    Rückblickend ist mir klar, dass unsere gegenseitige Abneigung auf schlichte Eifersucht gründete. Lou ist einer der coolsten kleinen Jungs überhaupt (und einer der süßesten, mit dem tiefschwarzen Haar meiner Mutter und einer helleren Ausgabe der blauen Rispoli-Augen), und von seinem Intellekt her ist er Gleichaltrigen weit voraus. Er ist nicht nur unglaublich klug, sondern kann sich auch durch enorme Mengen von Informationen wälzen und sie verinnerlichen – Bücher, Landkarten, Tagebücher, Aufsätze, DVDs, was auch immer, er arbeitet sich durch und weiß das so erlangte Wissen dann auch noch immer praktisch umzusetzen. Ich meine, wenn er sich mit einem Thema richtig auseinandersetzt, dann kann Lou in fast allen Bereichen richtig gut sein. Meist ist es so, dass erst etwas seine Aufmerksamkeit erregt, dann lässt er sich von dem Thema begeistern, und schließlich beherrscht er es. Eine Weile interessierte er sich zum Beispiel für Fotografie und baute sogar seine eigene Kamera, dann für abstrakten Expressionismus, als er sein Zimmer im Stil von Mark Rothko in Magenta, Schwarz, Grün und Orange anstrich, und dann für Physik, als er einen Minivulkan konstruierte, um Galileos Gesetz des freien Falls damit auszuprobieren. Uns allen war klar, dass ihm mit seinem analytischen Verstand und seiner Fähigkeit, sich Dinge herzuleiten, eine große Karriere bevorstand. Meine Eltern vertraten die Einstellung, er solle alles ausprobieren, was ihn interessierte, bis er herausfand, wozu er bestimmt war.
    Und so kam Harry in unseren Haushalt.
    Lou entwickelte nämlich ein unbändiges Interesse daran, das Verhalten von Tieren zu erforschen.
    Er war besessen von der Idee, die Undressierbaren zu dressieren.
    Bei seinen Recherchen war er zu der Erkenntnis gekommen, dass eine obskure Methode namens »heilsame Disziplin« dazu den effektivsten Weg darstellte. Sie fußte auf der Prämisse, dass die Tiere schon so lange neben den Menschen auf der Erde weilten, dass sie ein weitaus größeres Verständnis der menschlichen Sprache erlangt hatten, als man ihnen gemeinhin zubilligte. Lou war fest davon überzeugt, wenn

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