Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
eigentlich«-Blick, und dann gab ich auf, bevor ich überhaupt gefragt hatte. Die Sache mit der Ungebundenheit machte mir allerdings noch mehr zu schaffen – der jährliche Frühlingsball der Fep Prep (Motto: »Yo Leute! Frühling!«) sollte in nicht einmal einem Monat stattfinden, deprimierenderweise auch noch an meinem Geburtstag. In meinem Fall stand un-gebunden für un-glücklich und un-übersehbar ohne Freund.
Ich war so besessen von diesen ganzen Uns, dass ich eines Tages auf dem Rückweg von der Schule gar nicht bemerkte, wie dunkelgrün und zornig die Wolken aussahen, als ich von der Bahnstation nach Hause ging. Es regnete in Strömen, als ich die Balmoral Avenue erreichte, und die Tropfen fielen so dicht und dick, dass ich zuerst gar nicht sah, dass ein rotes Cabrio vor der Haustür stand.
Mein Herz machte einen kleinen Sprung, als ich es entdeckte.
Onkel Buddy war wieder da!
Ich rannte die Stufen empor und zog an der Tür, aber sie klemmte, und als ich härter daran riss, fuhr ein Blitz durch die Luft und schlug in einen Baum im Vorgarten ein.
Es folgte kein Donner, nur ein durchdringendes Knacken, als ob ein LKW über Walnüsse fuhr, und dann ertönte ein ohrenbetäubendes Knirschen, als ein Ast mit völlig verglühten Blättern herunterstürzte.
Als ich mich umdrehte, stand mein Dad in der offenen Tür und sah mich an, nicht den Baum.
Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Sara Jane, komm ins Haus. Grandpa Enzo ist gestorben.«
Ich ging ins Wohnzimmer, gefolgt von meinem Vater. Meine Schuhe quietschten auf dem Marmorboden. Ich schob mir die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Onkel Buddy und Greta saßen auf dem kleinen Sofa. Das Gesicht meines Onkels war bleich, während Greta die viel zu grellroten Lippen auf eine Weise geschürzt hatte, die ihr einen bitteren Gesichtsausdruck verlieh, als ärgere sie sich über eine Unannehmlichkeit. Meine Mutter saß auf der Ledercouch und hielt Lou an sich gedrückt, und als sie den Kopf hob, sah ich, dass sie geweint hatte. Die Trauer hatte sich in meinen Lungen schon festgesetzt wie eine Bronchitis, und als ich nun den ganzen Zorn und die Verzweiflung in diesem Zimmer wahrnahm, wurde mir das Atmen noch schwerer. Durch den Nebel in meinem Kopf konnte ich nur einen Gedanken fassen: »Wo ist Grandma?«
»Sie hat sich hingelegt, mein Schatz«, sagte meine Mutter und streckte die Arme nach mir aus. »Komm her.«
Das tat ich; ich kuschelte meinen Kopf an ihre Schulter und weinte. Sie erzählte mir mit leiser Stimme, dass Grandpa Enzo einen Herzanfall gehabt hatte, während er einen buccellato machte, einen runden, zuckrigen Kuchen, den bei einer Kindstaufe der Pate der Familie seines Täuflings mitbringt. Irgendjemand von der Taylor Street fragte immer bei Grandpa an, ob er Pate seiner Kinder werden wollte, und normalerweise stimmte Enzo der Bäcker mit warmem Lächeln zu. Kurz bevor er starb, hatte er gerade noch den Kuchen aus dem Vulcan-Ofen genommen und ihn aus der heißen Form gestürzt, die den Anfangsbuchstaben unserer Familie trug. Das deutlich herausgebackene R war wohl das Letzte, was er sah.
Niemand sagte ein Wort, bis Greta ungeduldig seufzte. Als ich den Kopf hob, sah ich, dass sie aufgestanden war.
»Es müssen Entscheidungen gefällt werden«, sagte sie und schritt wie ein Vier-Sterne-General durchs Zimmer.
»Er ist erst vor ein paar Stunden gestorben«, raunte mein Vater, der sich auf den nächsten Sessel sinken ließ und sich die Stirn massierte.
»Trotzdem«, fuhr Greta fort, »nach einem unerwarteten Todesfall muss sofort festgelegt werden, wer was bekommt und wie viel!«
»Greta …«, sagte Onkel Buddy mit leiser Stimme und starrte auf seine Hände.
»Nix Greta, Benito! Wenn du deine Position nicht jetzt, in diesem Augenblick, behauptest, dann bekommst du wieder nur das kurze Ende von der Wurst, wie immer!« Sie wedelte mit den Armen. Ihr Ellenbogen schlug gegen ein Regalbrett, und alle außer Greta sahen Frank Sinatra hochfedern und durch die Luft wirbeln.
Onkel Buddy sprang auf, streckte die Arme aus und fing den Kopf der Büste wie einen Football, gerade noch rechtzeitig, bevor sie auf den Boden schlug. Mit verlegenem Gesicht gab er sie meinem Vater zurück, und zum ersten Mal, seit ich wieder zu Hause war, sahen sie einander an. Mein Vater zögerte kurz, dann wandte er sich um und stellte die Büste wieder aufs Regal, wo Frankie dann weiter ins Zimmer starrte. Es war eines der kitschigsten Stücke in unserem Haus – der
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