Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
beiden wechselten ein paar leise Worte, drängten sich durch die Menge und gingen an Lou und mir vorbei zur Küche. Mein Dad lächelte uns an, aber er wirkte nicht glücklich, während Onkel Buddy uns nicht einmal anguckte. Sie schoben sich durch die Doppeltür, und nun sah ich meine Mom, die aus einiger Entfernung die Geschehnisse beobachtet hatte und ihnen hinterhereilte. Ich stand auf und schloss mich ihr an.
»Warte«, sagte Lou und griff nach meiner Hand. »Kann ich mitkommen?«
»Ich glaube, es ist besser, wenn du hierbleibst«, sagte ich.
Er hob den gebogenen kleinen Finger und sagte: »Aber ich dachte, es heißt alles oder nichts?«
Lou war ebenso misstrauisch wie ich, aber er wirkte plötzlich so furchtbar klein auf mich. Ich war mir nicht sicher, ob er damit zurechtkommen würde, was zwischen meinem Dad und Onkel Buddy vor sich ging, und ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte. Also hakte ich meinen kleinen Finger um seinen und sagte: »So halten wir es, auch wenn wir nicht zusammen sind. Warte hier, okay? Ich komme gleich wieder.« Damit eilte ich durch den Raum und durch die Küche, vorbei an Kellnern und Köchen, blieb dann wie angewurzelt stehen und duckte mich schnell hinter ein Regal mit Tomatendosen. Auf der anderen Seite hatten meine Mom und mein Dad die Köpfe zusammengesteckt und sprachen hastig und leise miteinander.
Mein Dad sagte: »Er ist draußen auf dem Parkplatz und wartet auf mich.«
»Was will er denn?«, fragte meine Mom, die ruhig zu bleiben versuchte. »Weiß er Bescheid, Anthony? Weiß er etwas … von dem Plan?«
Mein Dad zögerte. »Er hat ein paar Andeutungen gemacht, aber ich bin mir nicht sicher. Es könnte auch nur eine von seinen üblichen Touren sein.«
»Buddys übliche Tour ist die eines eifersüchtigen Arschlochs«, sagte meine Mum angespannt, und das überraschte mich umso mehr, da sie kaum jemals fluchte, wenn ich das überhaupt schon mal gehört hatte. »Du musst ihn zurückpfeifen … er könnte alles kaputtmachen. Der Tod deines Vaters ist eine Tragödie, mein Schatz. Du weißt, dass ich ihn geliebt habe, als ob er mein eigener Vater sei. Ich wünschte, er hätte ewig leben können, aber …«
»Aber es ist die Chance, auf die wir schon so lange gewartet haben«, sagte mein Dad. »Geh wieder hinein, Teresa, tu so, als sei alles in Ordnung. Ich kümmere mich um Buddy.« Sie umarmten sich, und dann lief meine Mutter an mir vorüber, sah mich aber nicht, und mein Dad ging durch die Hintertür zum Parkplatz.
Ich folgte ihm vorsichtig, guckte nach links und rechts und entdeckte die beiden bei Onkel Buddys Cabrio. Es war, als ob man mit stummgeschaltetem Ton Fernsehen guckte; mein Vater stand mit ausgestreckten Handflächen da und sprach Worte, die ich nicht hörte, und Onkel Buddy gab ebenso unhörbare Widerworte, ließ den Kiefer auf und zu schnappen und schüttelte energisch mit dem Kopf. Mein Vater verschränkte die Arme und hörte zu, und dann war es an ihm, den Kopf zu schütteln. Er sah so müde aus, so erschöpft, und schließlich winkte er schwach ab, wandte sich um und ging.
In Zeitlupe sah ich, wie Onkel Buddy ihn an der Schulter packte und herumwirbelte.
Dann ballte er die Hand zur Faust und holte zu einem Uppercut aus.
Mein Dad duckte sich weg und wich aus, dann schoss er nach vorn und platzierte einen großartigen linken Haken an Onkel Buddys breitem Kinn.
Es war das einzige Geräusch, das über den Parkplatz zu mir drang – ein hartes, kurzes Popp, mit dem Knöchel auf Knochen krachten –, dann verschwand Onkel Buddy aus meinem Blickfeld und ich begriff, dass er zu Boden gegangen war. Anschließend half mein Dad ihm auf, und mein Onkel, der noch ganz wacklig auf den Füßen stand, schubste ihn hart beiseite. Mein Dad sagte nun wieder etwas zu ihm, die Handflächen erhoben, aber Onkel Buddy stürmte davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
Greta war ein Gletscher, der sich langsam bewegte, aber Grandpa Enzos Tod war wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Und dass mein Dad Onkel Buddy ausknockte, war das Grollen vor dem Erdbeben, das die ganze Rispoli-Familie auseinanderriss.
6
Jeder lebt sein eigenes, ichzentriertes Leben.
Selbst der größte Menschenfreund der Welt oder diese unglaublichen Nonnen, die in den Slums arbeiten – jeder wacht morgens auf und denkt erst mal an sich.
Das kann ein ganz trivialer Gedanke sein, beispielsweise, was es zum Frühstück gibt, oder etwas Ehrgeizigeres, vielleicht ein hehres Ziel, das man erreichen
Weitere Kostenlose Bücher