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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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Kopf Frank Sinatras als weiße Gipsfigur, mit einem Lorbeerkranz im Haar wie Julius Caesar und blau eingefärbten Augen. Meine Mutter fand ihn künstlerisch betrachtet zwar grässlich, aber dennoch bestand sie darauf, dass er seinen Ehrenplatz auf dem Regal behielt.
    Die Büste wurde plötzlich zum Sinnbild für Menschen, die ich liebte und die gestorben waren.
    Meine Eltern hatten sie von meiner Nanny geschenkt bekommen.
    Es war ein Abschiedsgeschenk, das sie ihnen nur wenige Tage vor ihrem Tod überreichte.
    Lucretia Zanzara – Elzy, wie wir sie nach ihren Initialen L. Z. nannten – war zierlich, hart wie Stahl und immer perfekt im Retro-Sixties-Stil gekleidet, komplett mit tiefschwarzer Bienenkorbfrisur und Schmetterlingsbrille. Sie war ein Organisationsgenie, das unseren Haushalt vom Aufstehen bis zum Zubettgehen mit sanfter, aber dennoch eiserner Hand regierte. Elzy kannte immer die richtigen Leute, die irgendetwas erledigen konnten, egal zu welcher Zeit und egal, worum es ging, ob um acht Uhr abends eine knusprige Pizza Margherita geliefert, um Mitternacht ein Kühlschrank repariert oder am Tag vor Weihnachten noch genau das Kuscheltier besorgt werden sollte, das ich mir als Dreijährige so unbedingt wünschte. Ihre Kontakte waren unzählig, ihr Talent zur Erledigung aller möglichen Dinge geradezu unglaublich und ihre Ergebenheit meiner Familie gegenüber bedingungslos.
    Elzy war über die Bäckerei in unsere Familie gekommen. Schon lange vor meiner Geburt hatte Grandpa Enzo ihren Vater, Bob Zanzara, als Bäcker oder Pastetenmacher oder dergleichen beschäftigt. Grandpa und Bobo arbeiteten eng zusammen, bis Bobo, wie mein Vater einmal erwähnte, Urlaub nahm und nie zurückkehrte. Als ich Dad fragte, was für ein Urlaub denn so ewig dauerte, grinste er und sagte: »Der auf Staatskosten«, und das war alles. Wenn ich weitere Fragen stellte, dann zuckte er die Achseln und wechselte das Thema. Später arbeitete auch Elzys älterer Bruder für Grandpa in der Bäckerei. Elzy sprach immer von dem »armen Kevin«, dann schüttelte sie betrübt den Kopf und machte »tss, tss«. Offenbar war Kevin eine tragische Mischung aus Dummkopf und Heißsporn. Es gab einmal einen Zwischenfall in der Bäckerei, aber wieder wollte keiner damit herausrücken, was genau passiert war. Wenn mein Dad oder Onkel Buddy darauf zu sprechen kamen, hob Elzy die Hand mit ihren perfekt gefeilten Nägeln und sagte: »Die Vergangenheit ist abgeschlossen. Der arme Kevin hat einen Fehler gemacht. Nur die Starken überleben.« Ihre Stimme klang so getragen, auf diese italienische Weise, die alle weiteren Worte zum Thema überflüssig und unnötig erscheinen ließ.
    Elzy hatte zwei unverkennbare Merkmale. Das eine war ihre Stimme, die leicht nasal vom Dialekt der Chicagoer West Side geprägt war und ein bisschen nach einem Löwen mit Halsentzündung klang, und das andere ihre bedingungslose Liebe zu Frank Sinatra. Ihr heißeres Knurren erreichte eine fantastische Tenorlage, wenn sie »Fly Me To The Moon« oder »Witchcraft« sang, bis die Hunde überall in der Balmoral Avenue zu heulen begannen. Je mehr sich der Krebs in ihr ausbreitete und je kränker sie wurde, desto weniger sang sie. Nach dem letzten Besuch bei ihrem Arzt wusste Elzy, dass sie sterben würde. Direkt vor Lous Geburt gab sie dann meinen Eltern die Sinatra-Büste, berührte zärtlich den Babybauch meiner Mutter und sagte, dass Frank über die Familie wachen würde, wenn sie nicht mehr da sei.
    Seitdem stand Frankie-Boy dort oben auf dem Regal, immer auf demselben Fleck.
    Ich dachte an sie beide, an Grandpa Enzo und an Elzy, und hoffte, dass sie beide glücklich gestorben waren. Es war Gretas Litanei, die klang, als ob Kreide auf einer Tafel quietschte, die mich wieder aus meinen Gedanken riss.
    Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und drehte ihren Kopf wie beim Tennis von einer Seite zur anderen, während sie von »der ganzen Unfairness gegenüber Buddy« und »unserem Stück vom Kuchen« und so weiter schwadronierte.
    Als sie kurz Atem holte, unterbrach sie mein Vater: »Beruhige dich, Greta. Buddy weiß genau, dass er die Hälfte vom Geschäft bekommen wird.«
    »Ach?«, gab sie zurück, verschränkte die Arme und hob eine Augenbraue. »Von welchem Geschäft?«
    Nun war es meine Mutter, die aufsprang. Es überraschte mich, wie schnell sie durch den Raum schritt, um sich direkt vor Greta aufzubauen. Mit ruhiger, aber eisiger Stimme sagte sie: »Über diese Geschäfte

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