Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
sprechen wir nicht vor den Kindern. Nicht in dieser Familie.«
»Ich bin genauso ein Teil dieser Familie wie du, Teresa! Und bilde dir ja nicht ein, dass euch mehr zusteht als Buddy und mir, weil ihr die da habt … mit ihren blauen Augen … vor allem ihn«, schnaubte Greta und zeigte auf Lou.
Ihre Worte trieben durchs Zimmer wie Luftballons, die sich losgerissen hatten.
Ich hätte damals aufstehen und nachfragen sollen, was sie meinten, so wie Willy es mir geraten hatte. Aber das tat ich nicht, weil Grandpa Enzo gerade gestorben war, und weil sich Lou jetzt an meiner Schulter vergrub, wie ich es zuvor bei meiner Mom getan hatte, und … und weil ich Angst vor dem hatte, was ich erfahren würde. Obwohl ich versucht hatte, es zu unterdrücken oder sogar wegzuschieben, hatte es mir schon als Kind Angst gemacht, wenn ich mitbekam, wie sich meine Eltern flüsternd über Geld unterhielten oder darüber, das »Richtige« zu tun, und später vor allem, wenn sie über Onkel Buddys wachsende Wut und seinen stetigen Rückzug aus unserem Leben sprachen. Ich wollte, dass alles wieder so sein würde wie damals, als ich noch klein war, als wir eine einzige große, eng zusammenhaltende, glückliche Familie waren. Ich wollte, dass Onkel Buddy sich zwischen uns und Gretas anklagenden Finger stellte. Aber er saß einfach nur da, guckte konzentriert auf seine Hände und war zufrieden damit, dass sie die Drecksarbeit machte, auf die sie sich so gut verstand.
Meine Mutter räusperte sich und sagte schlicht: »Raus.«
Sie gingen ohne ein weiteres Wort und ohne sich noch einmal umzusehen.
Ich hörte, dass Onkel Buddys Cabrio hustend ansprang und quietschend vom Bordstein schoss.
Ich sah die beiden erst bei Grandpa Enzos Beerdigung in der Kirche Our Lady Of Pompeii wieder, in der es so voll war, dass die Trauergäste in den Gängen und draußen vor den Türen standen. Unsere Familie hatte in der ersten Bankreihe auf einer Seite Platz genommen, Buddy und Greta auf der anderen. Während meine Großmutter leise weinte und sich die Nase mit einem weißen Spitzentaschentuch betupfte, legte es Greta auf den Weltrekord in hysterischem Beerdigungsgeheule an. Jedes Mal, wenn der Priester Grandpas Namen nannte, schrie Greta theatralisch und tränenüberströmt auf und verbarg dann das Gesicht in einem grellroten Taschentuch. Nach einem besonders explosiven Ausbruch konnte ich es mir nicht verkneifen, zu ihr hinüberzusehen. Greta warf mir hinter dem roten Stoffquadrat einen kurzen Blick zu und machte ein verächtliches Gesicht, während ihre Lippen irgendeine hässliche russische Bemerkung formten.
Anschließend fuhr eine Prozession von hundert Autos zum Mount Carmel hinauf, wo Grandpa im Mausoleum der Familie zur letzten Ruhe gebettet wurde, einem kleinen Gebäude aus bemoostem Kalkstein. Unser Name, RISPOLI, ist dort auf eine grüne Bronzetür geätzt, während auf dem Dach ein kleines, aus Marmor gehauenes Melassefässchen thront. Innen warteten meine Urgroßeltern, Nunzio und Ottorina, die beide schon Jahrzehnte vor meiner Geburt verstorben waren.
Als der Trauergottesdienst endete und es Zeit zum Gehen war, berührte Oma Donatella Grandpa Enzos Sarg und sagte: » A presto, mi amore . Bis bald, Geliebter.« Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich so etwas Trauriges erlebt. Daran musste ich auch später noch denken, als wir im Gennaro’s auf der Taylor Street saßen, wo sich die ganze Nachbarschaft zu Ehren meines Großvaters zur Beerdigungsfeier versammelt hatte.
Während ich ein paar Fettuccine auf dem Teller hin und her schob, spürte ich einen kleinen Ellenbogen in den Rippen.
Lou wischte sich rote Soße vom Mund und sagte: »Was sind das für Leute, die sich da mit Dad unterhalten?« Als ich aufsah, stellte ich fest, dass eine Reihe von Männern verschiedenen Alters und unterschiedlicher Gestalt in dunklen Anzügen dastand und geduldig darauf wartete, ihm etwas zuzuraunen. Zuerst dachte ich, dass sie ihm ihr Beileid aussprachen, aber dann fiel mir etwas auf, das ein leicht unbehagliches Gefühl in mir weckte. Onkel Buddy saß nur einen Tisch weiter, aber keiner der Männer beachtete ihn, und angesprochen wurde er schon gar nicht.
Onkel Buddy wiederum beobachtete meinen Dad ganz genau.
Er starrte ihn so intensiv an, dass er ihm mit seinem Blick Löcher in den Hinterkopf hätte brennen können.
Greta zischte meinem Onkel etwas zu und er nickte, rückte sich die Krawatte zurecht und tippte meinem Vater hart auf die Schulter.
Die
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