Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
Vom Netzwerk:
möchte, aber als Mensch hat man doch ständig sich selbst im Kopf.
    Wie sonst könnte ich erklären, dass ich trotz allem, was in meiner Familie geschah, doch ständig nur um mich selbst kreiste? Mein Großvater war nur eine Woche zuvor gestorben, meine Eltern flüsterten etwas von einem geheimnisvollen Plan, mein entnervter Dad hatte meinem gemeinen Onkel einen Schwinger verpasst, und das alles machte mir ja auch wirklich Sorgen. Aber wenn ich morgens die Augen aufmachte, worüber grübelte ich als Erstes nach?
    Darüber, dass ich keinen Partner für den Frühlingsball hatte, der in weniger als einem Monat stattfinden sollte.
    Darüber, dass ich einen Abschluss mit Auszeichnung machen wollte, weil mir meine Eltern zur Belohnung eine Reise nach Italien in Aussicht gestellt hatten.
    Darüber, dass ich Italienisch lernen wollte, bis ich es wie eine Muttersprachlerin draufhatte, oder zumindest genug, um mich in Italien nicht zu blamieren.
    Ich, ich, ich.
    Daran, dass ich keinen Partner hatte, konnte ich nicht viel ändern. Mich hatte niemand gefragt, und es gab niemanden, den ich hätte fragen wollen, und deswegen konzentrierte ich mich noch mehr auf die Schule, auch wenn es bis zum Abschluss noch zwei Jahre dauerte. Eine Auszeichnung bekam man nicht nur für gute Noten, sondern auch für diese schwer fassbare »Reife«, die ein Schüler bei seinem Abschluss unter Beweis stellen sollte. Deswegen war ich Mitglied des Umwelt-Clubs (wir pflanzten Bäume – gähn) und des Rotkreuz-Clubs (wir spendeten Blut – aua) und beschloss schließlich, dass ich die Dinge selbst in die Hand nehmen und an der Fep Prep eigene Zeichen setzen wollte.
    Und was eignete sich besser dazu, als eine Gruppe zu gründen und auch gleich ihren Vorsitz zu übernehmen?
    Erst dachte ich an einen Box-Club, aber das war mir dann zu persönlich – ich wollte meine Begeisterung für diesen Sport nicht mit der ganzen Schule teilen. Der Vorschlag mit dem Filmclub kam dann von meiner Mom; sie raunte mir die Idee halblaut zu, als wir alle zusammen zum x-ten Mal Der dritte Mann guckten. Wie üblich hatten wir uns auf die große Ledercouch gequetscht, und Lou war der Hüter des Popcorns. Er machte »Pssst!«, als meine Mutter mit mir flüsterte, denn jetzt kam seine Lieblingsszene: Holly Martins (ein Mann, trotz des Namens) trifft Harry Lime (genau, der Namensvetter von Lous Hund) beim großen Riesenrad auf dem Wiener Prater und kann es kaum glauben, dass sein tot geglaubter Freund noch lebt, der ihm in der Gondel gegenübersitzt. Jedes Mal, wenn wir diese Szene sahen, umklammerte Lou seine Knie und sagte leise:
    »Sich so zu treffen, auf einem Riesenrad hoch oben in der Luft, wo einen niemand sieht – privat und gefährlich zugleich –, das ist perfekt.«
    Wie ich schon gesagt hatte, ist Der dritte Mann der Lieblingsfilm von Lou und auch von meinem Dad. Meine Mutter liebt das Selbstbewusstsein von Bette Davis in Alles über Eva , während ich ein großer Fan von Pulp Fiction bin, bei dem mich vor allem die Figur des Butch begeistert, einem Boxer, der ein paar ziemlich eklige Typen in einem Keller auf Abstand hält. Insgesamt kann man wohl sagen, dass wir eine Familie von Filmbesessenen sind, und das war die Grundidee für meinen Classic Movie Club.
    Die Schülerschaft an der Fep Prep war von dieser Idee nicht gerade überwältigt, um es mal vorsichtig auszudrücken. Der Einzige, der dem Club beitrat, war der unbeliebteste Schüler des zweiten Highschool-Jahrgangs, wenn nicht der ganzen Welt, Doug Stuffins.
    Ein gehässiges Schicksal hatte dafür gesorgt, dass er genauso aussah, wie sein Name klang – mit seinem unglaublich aufgedunsenen, 140 Kilo schweren Körper voller Junk Food. Gleichzeitig war er aber auch unfassbar schlau und besaß ein phänomenales Hirn voller Fakten über Filme.
    Doug hatte ich in unserem ersten Highschool-Jahr kennen gelernt, weil wir wegen der Anfangsbuchstaben unserer Nachnamen – R und S – am ersten Tag im Klassenzimmer nebeneinander saßen. Während der Lehrer vorn irgendwas erzählte, raunte Doug mir zu: »Du siehst aus wie eine italienische Schauspielerin aus den Sechzigern.«
    »Echt?«, flüsterte ich zurück. »Wie welche denn?«
    »Wie sie alle zusammen«, antwortete er und zwinkerte mit seinen kleinen Schweinsäuglein.
    Als ich mich am nächsten Tag woanders hinsetzte, winkte er zu mir herüber und sagte: »Ciao, bella – hallo, meine Schöne.« Dabei vermittelte er nicht den Eindruck, als ob er mit mir flirten

Weitere Kostenlose Bücher