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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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war vielmehr, möglichst schnell zu erledigen, was ich tatsächlich bewerkstelligen konnte, wie beispielsweise den Koffer zu öffnen, der immerhin wertvolle Hinweise versprach. Meine Lippen bewegten sich in einem stillen Gebet für den kleinen Hund, als ich den Motor anließ, das Verdeck herunterklappte und den Wagen sanft vom Bordstein rollen ließ.
    Chicago zu später Stunde ist gleichzeitig dunkel und hell, da alle paar Meter eine Straßenlaterne steht. Mein Dad hat mir einmal erzählt, als er noch Kind war, hatte der alte Bürgermeister Daley die Auffassung vertreten, dass helles Licht die Stadt sicherer machen würde, und daher hatte er überall Lampen aufstellen lassen. Ich steuerte den Wagen über leere Straßen und badete im Lichtschein, der kühle Wind, der über mein geschundenes Gesicht strich, brachte den Geruch vom See mit, und für kurze Zeit fühlte ich mich eigentümlich lebendig.
    Als ich dann in der kleinen Gasse hinter dem Windy City Studio parkte, hatte mich die Realität schon wieder eingeholt.
    Willy hatte gut getarnt eine Tür offen gelassen, weil er mit meiner Rückkehr rechnete.
    Ich ging hinein und schloss hinter mir ab, und dann stand ich wieder allein in der Dunkelheit.
    Unter der Tür zu Willys Wohnung war kein Lichtschimmer zu entdecken, und daher ging ich auf leisen Sohlen durchs Studio und zog mich mit einigen Schwierigkeiten am Seil bis ins Krähennest empor; dabei hielt ich immer wieder inne und wechselte die Hand, mit der ich den Koffer trug. Als ich es endlich bis nach ganz oben geschafft hatte, klappte ich die Falltür zu, ließ die Rollos herunter und knipste eine Lampe an. Wie ich jetzt feststellte, sicherte ein Zahlenschloss den Aktenkoffer, und ich stellte aus einer Eingebung heraus die Ziffern meines Geburtstags ein. Während die mir bei dem Bedienfeld der Bürotür nicht weitergeholfen hatten, funktionierten sie diesmal ohne Probleme. Es war ein weiteres Zeichen dafür, dass mein Vater erwartet hatte, dass ich irgendwie überleben würde. Aber im Augenblick zählte vor allem, dass der Koffer sich nun öffnete, und ich sah mit starrem Blick auf das, was sich mir darin nun offenbarte.
    Dicke grüne Bündel Hundertdollarnoten.
    Eine Pistole, deren Stahl unheilverkündend schimmerte.
    Ein rasiermesserdünnes Stück Plastik, das meinen Namen trug.
    Es handelte sich um eine Kreditkarte, eine Black American Express, auf der sich die Buchstaben SARA JANE RISPOLI erhoben: Sie war der endgültige Beweis dafür, dass mein Vater nicht nur mit meinem Überleben gerechnet hatte, sondern auch damit, dass ich den Koffer fand. Ich legte sie beiseite, mit der kleinen Sig Sauer Kaliber .45, die man unauffällig bei sich tragen konnte, und sechsundneunzigtausend Dollar in bar. Ich begriff, dass mein Dad versucht hatte, mich mit allem zu versorgen, was mir Schutz bieten konnte, zumal ich nun wohl auch das alte, ledergebundene Notizbuch bewahrte, das voller Geheimnisse steckte.
    Denn auch das befand sich in dem Koffer, genau, wie ich mir gedacht hatte.
    Es wurde von Klebestreifen, Gummibändern und Büroklammern zusammengehalten, der Rücken war im Lauf der Jahre gebrochen und geknickt. Das Leder war fleckig, trocken und rissig, wie mumifizierte Haut. Vorsichtig nahm ich es in die Hand, löste die Bänder und klappte es auf der ersten Seite auf.
    La proprietà di Nunzio Rispoli, 1922 , stand da in verblichener Tinte.
    Darunter las ich: La proprietà di Enzo Rispoli – Dieses Buch gehört Enzo Rispoli, 1963.
    Weiter unten verkündete die Handschrift meines Vaters: Dieses Buch gehört Anthony Rispoli, 2011 .
    Diese letzte Zeile war am neuesten, und ich berührte sie ganz leicht in dem Wissen, dass er sie insgeheim geschrieben hatte, was mich gleichzeitig traurig und wütend machte. Wenn mein Dad mir von all dem erzählt hätte – oder zumindest einen Teil davon –, dann hätte ich viel mehr tun können, als mich blindlings von einer lebensbedrohlichen Situation zur nächsten zu tasten. Ich starrte auf das abgewetzte Notizbuch, auf seine sorgfältig geschriebenen Worte, und dachte: Vielleicht ist das hier seine Art, es mir zu sagen. Ich blätterte zu einer Seite, die vor Jahrzehnten wieder eingefügt worden war, wie das längst gelb angelaufene Klebeband verriet, und auf der es in ordentlicher Handschrift hieß: La Tavola d’Indice . Dazu hatte jemand anders auf Englisch gekritzelt: Inhaltsverzeichnis . Darunter befanden sich acht Kapitelüberschriften, alle auf Italienisch, von denen die ersten

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